Dr. Rainier van Roessel im Interview
Unser Alumnus Dr. Rainier van Roessel (Abschluss 1984) hat Betriebswirtschaftslehre an der WiSo studiert und wurde 1988 hier promoviert. Berufliche Stationen führten ihn unmittelbar im Anschluss zunächst als interner Berater zur Bayer AG, wo er im Bereich Unternehmensorganisation tätig war und 1993 in den Bereich Strategische Planung wechselte. Es folgten zahlreiche Leitungsfunktionen innerhalb des Bayer-Konzerns, unter anderem ab 2002 im neu geschaffenen Teilkonzern Bayer Polymers. Mit der Ausgliederung von Teilen der Polymersparte und der Neugründung von Lanxess übernahm er dort ab 2004 die Leitung der Business Unit Rubber Chemicals sowie 2006 die Geschäftsführung der Lanxess N.V. in Antwerpen. Von 2007 bis zu seinem Ausscheiden im Dezember 2019 war Rainier van Roessel schließlich Vorstandsmitglied und Arbeitsdirektor der Lanxess AG. 2022 wurde er in den Aufsichtsrat von Lanxess berufen und im Mai 2024 zum Aufsichtsratsvorsitzenden gewählt. Seit 2020 ist er darüber hinaus Lehrbeauftragter am Department of Supply Chain Management & Management Science der WiSo Fakultät. Im Alumni-Interview sprachen wir über die Bedeutung von Teamarbeit als Schlüssel zum Erfolg, außergewöhnliche „Once in a lifetime“-Chancen und die wertvolle finanzielle und ideelle Förderung von Studierenden durch das Deutschlandstipendium.
Das Deutschlandstipendium ist ein guter Weg, um talentierten und leistungsbereiten Studierenden einen größeren finanziellen Spielraum für ihr Studium zu geben und darüber hinaus ein Netzwerk für den Gedankenaustausch zu bieten.
Lieber Herr Dr. van Roessel, Sie haben nach Ihrem Abschluss an der WiSo zunächst für vier Jahre am Seminar für Allgemeine Betriebswirtschaft und Organisationslehre gearbeitet und wurden 1988 dort promoviert. Anschließend sind Sie als interner Berater zu Bayer gewechselt. Wie haben Sie den Übergang von der akademischen Arbeit zur Industrie empfunden? Welche Erfahrungen aus Ihrem Studium und Ihrer Zeit am Seminar konnten Sie bei Bayer einbringen?
Am Seminar habe ich u.a. an verschiedenen kleineren und größeren wissenschaftlichen Themen und Projekten gearbeitet. Mein größtes Projekt war meine eigene Dissertation. Systematisches, strukturiertes und zielgerichtetes Arbeiten war an der Uni entscheidend für interessante und gute Ergebnisse. Auf diese Erfahrungen konnte ich bei meinem Einstieg in die Industrie aufbauen. Das hat mir den Einstieg nicht nur erleichtert, sondern gab mir dann relativ schnell das Gefühl, etwas zur Problemlösung bzw. zur Weiterentwicklung von Prozessen und Strukturen beitragen zu können.
Sie sind der Bayer AG und anschließend auch Lanxess lange Jahre treu geblieben, waren Vorstandsmitglied bei Lanxess und sind heute dort Aufsichtsratsvorsitzender. Welche Aspekte haben Sie motiviert, diesen Unternehmen über Jahrzehnte hinweg eng verbunden zu bleiben?
Bayer war für mich als Berufsanfänger ein in jeder Hinsicht spannendes Unternehmen: Die Produkte, gerade auch ihre Vielfalt, die Größe und insbesondere die Internationalität haben mich damals bewogen, zu Bayer zu gehen. Ich war positiv überrascht über die Möglichkeiten, die ich selbst als Einsteiger hatte: das war viel breiter, als ich anfangs vermutet hatte. Ich konnte viele interessante Bereiche des Unternehmens kennenlernen. Besonders motivierend war für mich: Chemieunternehmen leben von Teamwork. In meinen verschiedensten Aufgaben hat die Arbeit im Team den Unterschied gemacht. Ein Team macht nicht nur mehr Freude und führt zu kreativeren Lösungen, sondern es ermöglicht auch eine starke Umsetzung mit entsprechenden Ergebnissen. Meine größte Herausforderung war die Abspaltung von Lanxess aus dem Bayer-Konzern und der Aufbau eines neuen zukunftsfähigen Unternehmens. Die Möglichkeit, an diesem Prozess mitzuwirken und quasi bei der Geburt eines neuen Unternehmens Verantwortung zu übernehmen, habe ich 2004 sehr gern ergriffen. Das war, wie man so sagt, eine „Once in a lifetime“-Gelegenheit. Auch hier übrigens nicht zuletzt wegen der Menschen: Bis heute hat Lanxess einen besonderen Teamspirit. Das Unternehmen aufzubauen, immer neue Herausforderungen wie Wirtschaftskrisen, Marktveränderungen, M&A Maßnahmen, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Unternehmenskultur oder Arbeitgeberattraktivität anzugehen – das hat uns alle sehr zusammengeschweißt. Das zieht sich durch alle Ebenen, denn eine wesentliche Voraussetzung für die dynamischen Veränderungsprozesse ist dabei die Einbindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Als Arbeitsdirektor kam mir dabei eine besondere Verantwortung zu, die mich ebenfalls sehr motiviert hat. Lanxess ist ein interessantes Unternehmen, das in diesem Monat seinen 20sten Geburtstag feiert und mich immer noch sehr begeistert.
Meine größte Herausforderung war die Abspaltung von Lanxess aus dem Bayer-Konzern und der Aufbau eines neuen zukunftsfähigen Unternehmens. Die Möglichkeit, an diesem Prozess mitzuwirken und quasi bei der Geburt eines neuen Unternehmens Verantwortung zu übernehmen, habe ich 2004 sehr gern ergriffen. Das war, wie man so sagt, eine „Once in a lifetime“-Gelegenheit.
Lanxess hat unter Ihnen als Vorstandsmitglied und Arbeitsdirektor zahlreiche Deutschlandstipendien gestiftet, womit Studierende der WiSo und der Uni Köln ideell und finanziell gefördert wurden. Heute sind Sie auch als Privatspender Unterstützer des Deutschlandstipendiums und weiterhin sehr engagiert. Was bedeutet das Deutschlandstipendium für Sie und warum finden Sie das Engagement wichtig?
Bildung ist eine entscheidend für die Zukunft unserer Gesellschaft und natürlich auch unserer Wirtschaft. Das Deutschlandstipendium ist ein guter Weg, um talentierten und leistungsbereiten Studierenden einen größeren finanziellen Spielraum für ihr Studium zu geben und darüber hinaus ein Netzwerk für den Gedankenaustausch zu bieten.
Gibt es berufliche oder persönliche Erfahrungen, die Ihre Entscheidung beeinflusst haben, sich im Bereich der Stipendienförderung zu engagieren?
Für Lanxess beispielsweise ist die hohe Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den MINT-Fächern aber auch im kaufmännischen Bereich ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Das gilt vom Betrieb über die Produkt- und Verfahrensentwicklung, die Digitalisierung bis hin zur Strategieentwicklung und Management. In einer älter werdenden Gesellschaft müssen wir meines Erachtens den Fokus verstärkt auf die Jugend legen und nicht umgekehrt.
Sie engagieren sich nicht nur finanziell, Sie suchen auch den direkten Kontakt zu den Stipendiat:innen, um sie auch im persönlichen Gespräch bei ihrer beruflichen und persönlichen Entwicklung zu unterstützen. Nehmen Sie aus diesen Gesprächen selbst auch etwas mit?
Da ich inzwischen nicht mehr voll im Berufsleben stehe, ist mir der persönliche Austausch mit jüngeren Menschen besonders wichtig. Hierdurch erhalte ich den Blick der Jüngeren auf viele gesellschaftliche Themen.
In einer älter werdenden Gesellschaft müssen wir meines Erachtens den Fokus verstärkt auf die Jugend legen und nicht umgekehrt.
Was ist die wichtigste Botschaft für ihre Stipendiat:innen und was möchten Sie auch unseren aktuellen Studierenden gerne mit auf den Weg geben?
Bleiben Sie interessiert, ja neugierig und leistungsbereit. Nutzen Sie die Möglichkeiten des Stipendiums, um sich ein breites wissenschaftsbasiertes Fundament zu schaffen. Engagieren Sie sich und übernehmen Sie Verantwortung für sich und unsere freiheitliche Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung.
Könnten Sie zum Abschluss den folgenden Satz vervollständigen: Denke ich an meine Studienzeit in Köln zurück, denke ich…
… an eine sehr schöne Zeit in Köln mit vielen neuen Freundschaften, intensiven Diskussionen, arbeitsintensiven Prüfungs- und Examensvorbereitungen und zahlreichen Unternehmungen mit begrenztem Budget.
Lieber Herr Dr. van Roessel, ich bedanke mich für Ihre Zeit und für das Interview.