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Interview mit Dr. Julian Conrads

„Wenn wir und unsere Kinder langfristig gut auf diesem Planeten leben wollen braucht es neue Ansätze“


Unser Alumnus Dr. Julian Conrads studierte an der WiSo-Fakultät VWL in sozialwissenschaftlicher Richtung und promovierte anschließend am Seminar für Unternehmensentwicklung und Wirtschaftsethik von Professor Bernd Irlenbusch.
Seit 2017 ist Julian Corporate Responsibility Manager bei der FOND OF GmbH, der Kölner Dachmarke hinter vielen bekannten Rucksackmarken wie ergobag, pinqponq und aevor.
Wir sprachen mit ihm über seine Aufgaben als CR-Manager, über Nachhaltigkeit und seine Zeit an der WiSo-Fakultät. Darüber hinaus gab er unseren Studierenden wertvolle Tipps.

 

Nachhaltiges Handeln ist kein Trend, sondern einer der existentiellen Herausforderungen der Menschheit – klingt hochtrabend ist aber die bittere Realität.

Dr. Julian Conrads

Lieber Julian, warum ist dir Nachhaltigkeit wichtig? Was bedeutet Nachhaltigkeit für dich?

Nachhaltiges Handeln ist kein Trend, sondern eine der existentiellen Herausforderungen der Menschheit – klingt hochtrabend ist aber die bittere Realität. Wir wirtschaften aktuell die natürlichen Kapazitäten unseres Planeten systematisch ab. Das Zeitfenster gegenzusteuern schrumpft. Unternehmen spielen dabei eine entscheidende Rolle. Ich bin froh, dass wir bei FOND OF wahrhaftig versuchen unserer unternehmerischen Verantwortung gerecht zu werden.


Ich persönlich war kein Hardcore-Öko und musste viele Zusammenhänge auch erst lernen. Spätestens seit der Geburt meines Sohnes vor drei Jahren hat es bei mir endgültig Klick gemacht – wir alle haben die Verantwortung gewissenhaft mit unserem Planeten umzugehen. Klar hat der einzelne keinen Einfluss und FOND OF als Mittelständler auch nicht wirklich. Aber irgendwo muss man anfangen.
Ich habe keine Lust, dass meine Kinder mir in 40 Jahren sagen, dass wir es nicht versucht hätten gegenzusteuern. Persönlich startet das beispielsweise mit dem Hinterfragen des eigenen Konsumverhaltens – was brauche ich eigentlich wirklich und was wird mir suggeriert zu brauchen?

 

CR-Management ist aus unserer Sicht ein Prozess, um sich immer weiter zu verbessern. Richtig am Ende wird man dabei wohl nie sein.

Dr. Julian Conrads

FOND OF hat dieses Jahr den "Leader Status" der Fair Wear Foundation (FWF) erhalten. Was macht FWF und was bedeutet der neu errungene „Leader Status“ für dich als CR-Experte von FOND OF?

Zusammen mit der FWF versuchen wir unserer sozialen Verantwortung in den nähenden Betrieben unserer Lieferkette gerecht zu werden.
Die FWF ist eine Multi-Stakeholder-Initiative, in der Marken, NGOs und staatliche Institutionen versuchen, die Arbeitsbedingungen in nähenden Betrieben der Textilindustrie systematisch zu verbessern.

Ein wichtiger Pfeiler der FWF ist dabei die Auditierung nach anerkannten Arbeitsnormen - u.a. Verbot von Zwangs- und Kinderarbeit, Arbeitssicherheit, Lohnzahlung und Arbeitszeiten. Den Status Quo dieser Arbeitsbedingungen wird von einem Auditoren-Team überprüft und die negativen Ergebnisse werden in Kooperation mit der FWF, uns und der Fabrik Schritt-für-Schritt verbessert.

Außerdem führt FWF jährlich den Brand Performance Check (BPC) durch. Dabei werden wir als Brand auf Herz & Nieren überprüft, wie wir mit unseren Partner-Fabriken umgehen. Wie platzieren wir beispielsweise Bestellungen, wie viel Zeit- und Preisdruck machen wir und wie viele unsere Fabriken wurden unabhängig auditiert. Am Ende des BPC bekommt man eine Bewertung.
In diesem Jahr ist es uns gelungen, die Bestnoten – also den FWF Leader Status – zu erreichen.
Darauf sind wir stolz, aber es spornt uns auch an, weiter zu verbessern und den Leader-Status zu halten. CR-Management ist aus unserer Sicht ein Prozess, sich immer weiter zu verbessern. Richtig am Ende wird man dabei wohl nie sein.

 

Die Grundlage, um sich zu verbessern ist Transparenz über seine Lieferanten zu haben. Das klingt trivial, ist aber in der verworrenen und komplexen Textilindustrie mit vielen Lieferanten und Sub-Lieferanten und deren Zulieferern alles andere als einfach.

Dr. Julian Conrads

Wie war der Weg bis dorthin? Was waren eure Aufgaben und Herausforderungen?

Die Herausforderungen sind vielfältig.
Die Grundlage, um sich zu verbessern ist Transparenz über seine Lieferanten zu haben. Das klingt trivial, ist aber in der verworrenen und komplexen Textilindustrie mit vielen Lieferanten und Sub-Lieferanten und deren Zulieferern alles andere als einfach.
Mittlerweile wissen wir ziemlich genau wo was und von wem genäht wird. Man muss seine Lieferanten aber erstmal überzeugen, dass man ein FWF-Audit durchführen möchte – das kostet Zeit und wer möchte schon freiwillig in seine Bücher schauen lassen.

Unser Ansatz ist, langfriste und vertrauensvolle Partnerschaften mit einer überschaubaren Anzahl an Lieferanten aufzubauen – das lohnt sich aus CR-Sicht, sowie aus Perspektive des Qualitätsmanagements und der Lieferzuverlässigkeit. Letztlich lohnt es sich mittel- und langfristig auch wirtschaftlich.

 

Ein Pfeiler unserer CR-Strategie ist es, Bewusstsein für die sozialen und ökologischen Herausforderungen in der Textilindustrie zu schaffen.

Dr. Julian Conrads

Du bist seit 2016 Botschafter für Corporate Social Responsibility des Landes NRW. Was ist deine Aufgabe?

Dieses Amt ist uns eher zufällig zu Teil geworden, als wir den Deutschen Nachhaltigkeitspreis für Start Ups gewonnen haben. Uns ist es relativ freigestellt, wie wir dieses Amt ausleben.
Ein Pfeiler unserer CR-Strategie ist es, Bewusstsein für die sozialen und ökologischen Herausforderungen in der Textilindustrie zu schaffen.

Neben den oben beschriebenen sozialen Aspekten gibt es eine Vielzahl an ökologischen Themen, wie z.B. Chemikalieneinsatz (v.a. zum Färben der Stoffe) und Materialauswahl (z.B. Stoffe aus recycelten Flaschen).
Hierzu versuchen wir als CSR-Botschafter in (Grund-)Schulen, Universitäten und bei Messen und Konferenzen aufzuklären, was alles hinter einem Textil steckt, um gewissenhaftere Kaufentscheidungen zu treffen – in der Uni Köln haben wir auch schon ein paar Mal vorgetragen.

 

Ziel meiner Doktorarbeit war es herauszufinden, unter welchen Bedingungen sich Menschen in wirtschaftlichen Entscheidungssituationen unethisch verhalten.

Dr. Julian Conrads

Du hast als Promotionsstudent im Rahmen deiner Doktorarbeit mit zwei Kommilitonen ein Feldexperiment, eine „Büdchen-Studie“ gemacht und die Verhaltensökonomen dieser Welt damit ziemlich beeindruckt. Erzählst du uns mehr davon?

Ziel meiner Doktorarbeit war es herauszufinden, unter welchen Bedingungen sich Menschen in wirtschaftlichen Entscheidungssituationen unethisch verhalten. Die große Mehrheit von uns handelt üblicherweise korrekt. Manchmal fällt es uns aber gar nicht auf, dass wir unethisch handeln – in der Verhaltensforschung nennt man das „Bounded Ethicality“.
Die „Büdchen-Studie“ ist ein Projekt innerhalb meiner Dissertation, wo wir im Rahmen eines Feldexperiments untersucht haben, ob Verkäufer in Büdchen Ihre Kunden beim Süßigkeitenkauf abzocken. Wir haben dabei die Tatsache zu Nutzen gemacht, dass einige Verkäufer ihre Wagen zum Abwiegen der Süßigkeiten - so wird der Preis bestimmt - sichtbar auf dem Tresen stehen haben, andere diese aber hinter der Theke platzieren.


Im Nachgang konnten wir die Süßigkeiten-Tüten nochmals wiegen und die Korrektheit überprüfen. In einem Drittel der Fälle, wo die Waage nicht in Sichtweite war, mogelten die Verkäufer ein paar Cents dazu. Insgesamt waren wir in über 80 Büdchen unterwegs und haben verschiedene Versuchsanordnungen getestet.
Der Spruch „Gelegenheit macht Diebe“ wurde teilweise wahr. Insgesamt zeigte sich, dass Menschen dazu tendieren ein bisschen zu flunkern, aber nie so stark, dass man vor sich selbst sagen würde, dass es jetzt verwerflich sei.

 

Insgesamt zeigte sich, dass Menschen dazu tendieren ein bisschen zu flunkern, aber nie so stark, dass man vor sich selbst sagen würde, dass es jetzt verwerflich sei.

Dr. Julian Conrads

Wer hat dich auf deinem Lebens- und Karriere-Weg inspiriert und/oder unterstützt?

Prof. Axel Ockenfels gab mir die Initialzündung mich mit experimenteller Wirtschaftsforschung zu befassen. In seiner einführenden Vorlesung zur Mikroökonomie hat er gezeigt, wie er und die moderne Wirtschaftswissenschaft empirisch nach Alternativen zur Grundannahme des Homo Oeconomicus sucht. Das leuchtete mir damals total ein.
Mein Doktorvater Prof. Bernd Irlenbusch hat mich dann stark beeinflusst diese Forschungsmethode auf ethische Fragestellungen anzuwenden. So rückte die Wirtschaftethik mehr in mein Blickfeld. Und mich dann um Corporate Responsibility bei FOND OF zu kümmern, ist dann quasi eine Art der praktischen Umsetzung.

 

Bitte vervollständige den Satz: Denke ich an meine Studienzeit an der WiSo-Fakultät zurück, denke ich...
…geniale Inspirationen, teilweise mühsames Auswendiglernen, Gewinnen von Freunden fürs Leben und unzählige Kaffees am Büdchen auf dem Albertus-Magnus-Platz.

 

Genießt die Zeit und hinterfragt die Standardtheorien!

Dr. Julian Conrads

Verrate uns etwas über deine Pläne oder Wünsche für die Zukunft!
Ich möchte weiterhin mit FOND OF lernen und wachsen. Wir sind auf einer spannenden Reise und ich will, dass wir immer mehr unserer unternehmerischen Verantwortung gerecht werden.
Außerdem kooperiere ich weiterhin mit Bernd Irlenbusch.
Unser Ziel ist es, die wissenschaftlichen Erkenntnisse der empirischen Wirtschaftsethik an Unternehmen heranzutragen und nutzbar zu machen. Das alles möchte ich im Einklang mit meinem familiären Leben schaffen. Es gibt nämlich nichts Spannenderes, als sein Kind aufwachsen zu sehen.

Was würdest du unseren Studierenden im Allgemeinen gerne mit auf den Weg geben? Und was sind deine Tipps für unsere Studierenden?

Klingt altklug, aber: Genießt die Zeit! Sich mit spezifischen, teilweise abstrakten, Themen auf intellektuell anspruchsvollem Niveau auseinander setzen zu können, ist ein Privileg.

Hinterfragt die Standardtheorien. Manche der alten Modelle haben die Kurzfristigkeit zu sehr im Fokus. Wenn wir und unsere Kinder langfristig gut auf diesem Planeten leben wollen braucht es neue Ansätze – und zwar sehr bald!

Vielen Dank für das Interview!

 

die Fragen stellte Ayla Wisselinck