Dr. Florian Sonnenburg im Interview
Unser Alumnus Dr. Florian Sonnenburg hat einen Diplom-Abschluss in Wirtschaftswissenschaften von der Bergischen Universität Wuppertal. Im Anschluss wechselte er 2010 an die Universität zu Köln und war hier am Seminar für Finanzierungslehre (Prof. Dr. Alexander Kempf) der WiSo zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter und nach seiner Promotion 2016 als akademischer Rat tätig. Im Jahr 2020 gab er seine Verbeamtung auf und gründete die Investmentboutique Sonnenburg Investments. Das in seiner Diplomarbeit entwickelte Analysemodell, mit dem unterbewertete Qualitätsunternehmen zu einem attraktiven Preis systematisch identifiziert werden können, weitete er aus, um nicht nur als Privatmann, sondern auch im Namen des von Sonnenberg Investments beratenen Applied Science Equity Fund erfolgreich zu investieren. In unserem Alumni-Interview sprachen wir mit ihm über erste unternehmerische Gehversuche als Kind, den Einfluss seines Vorbilds Warren Buffett auf sein Analysemodell und über das Master-Seminar „Applied Equity Research“, bei dem Studierende Deutschlandstipendien für Ihre Universität gewinnen können.
Ich war vermutlich der einzige Schüler in meiner Jahrgangsstufe, der morgens die Financial Times Deutschland gelesen hat – rückblickend leicht nerdig, aber absolut mein Ding.
Lieber Herr Dr. Sonnenburg, Sie haben bereits mit 17 Jahren angefangen, Aktien zu kaufen. Woher kommt die Faszination für Investments und den Kapitalmarkt?
Ich habe mich schon früh für Finanzen und Wirtschaft interessiert. Mein Bruder und ich organisierten damals ein Fahrradrennen – eine Miniaturausgabe von „Rund um Köln“ für die Kinder in unserer Straße. Von unseren Eltern liehen wir uns 100 D-Mark und kauften im Großhandel Würstchen, Grillkohle, Getränke und Salate.
Dem Kioskbesitzer an der Ecke versprachen wir ein Werbebanner am Streckenrand, wenn er uns dafür ein Fass Kölsch spendierte. Die Werbung hätte er wohl nicht gebraucht, aber ich glaube, er mochte unseren Unternehmergeist. Außerdem richteten wir eine Tombola mit kleinen Gewinnen aus und für die Sieger gab es selbstgebastelte Pokale. Während die Kinder auf der Strecke alles gaben, kauften die Eltern Lose, Kölsch und Würstchen – ein rundum gelungener Tag für Groß und Klein.
Am Ende zahlten wir unseren „Kredit“ an die Eltern zurück und besserten mit dem kleinen Gewinn unser Taschengeld auf. Angespornt davon eröffneten wir danach sogar einen Imbiss im Carport – ohne Lizenz, aber mit viel Enthusiasmus. Der unternehmerische Erfolg blieb zwar aus. Aber durch diesen kleinen Misserfolg in jungen Jahren wurde meine Begeisterung für wirtschaftliche Zusammenhänge weiter geweckt.
Ich war dann vermutlich der einzige Schüler in meiner Jahrgangsstufe, der morgens die Financial Times Deutschland gelesen hat – rückblickend leicht nerdig, aber absolut mein Ding. So richtig entfacht wurde meine Begeisterung, als ich auf den Investmentansatz von Warren Buffett stieß. Die Idee, sich tief in Geschäftsmodelle einzuarbeiten und sich langfristig an Qualitätsunternehmen zu beteiligen, hat mich damals fasziniert – und begeistert mich bis heute. So kam es, dass ich mit 17 meine ersten Aktien kaufte – und mich die Leidenschaft für den Kapitalmarkt seitdem nicht mehr losgelassen hat. Einige dieser Aktien halte ich bis heute.
Nach Ihrem Diplom-Abschluss an der Uni Wuppertal haben Sie eine wissenschaftliche Karriere an der WiSo Fakultät angeschlossen. Was waren die Gründe? Warum sind Sie mit dieser guten wissenschaftlichen Ausbildung nicht an den Finanzstandort Frankfurt gegangen?
Ich hatte den Eindruck, dass in der Investmentpraxis oft zu kurzfristig gedacht wird – das passte nicht zu meinem Mindset. Ich war stark von Warren Buffett geprägt und hatte in meiner Diplomarbeit ein Modell entwickelt, das auf seinem Ansatz basiert und unterbewertete Qualitätsunternehmen identifiziert. Gleichzeitig begeisterte mich die wissenschaftliche Arbeitsweise: kritisch denken, eigenständig und strukturiert arbeiten, analytisch in die Tiefe gehen. Die Möglichkeit, bei Prof. Kempf an der WiSo zu promovieren, war für mich daher ein Glücksfall – und eine entscheidende Phase meiner Entwicklung.
Ich hatte den Eindruck, dass in der Investmentpraxis oft zu kurzfristig gedacht wird – das passte nicht zu meinem Mindset.
Mit Ihrer Investmentboutique Sonnenburg Investments, die Sie 2020 gegründet haben, ist der Applied Science Equity Fund eng verbunden. Für alle Nicht-Finanzexpert:innen: Können Sie erklären, um was es dabei genau geht?
Dabei handelt es sich um einen Aktienfonds, in dem wir die Prinzipien von Value-Investoren wie Warren Buffett konsequent umsetzen: Wir investieren langfristig in Qualitätsunternehmen, die günstig bewertet sind und deren Geschäftsmodelle wir im Detail verstehen.
Applied Science steht dabei für unseren wissenschaftlich fundierten Investmentansatz – in zwei klaren Schritten. Zunächst setzen wir ein Vorselektionsmodell ein, das auf meiner Diplomarbeit basiert und seitdem kontinuierlich weiterentwickelt wurde. Es identifiziert unterbewertete Qualitätsunternehmen anhand wissenschaftlicher Kriterien. Darauf folgt ein tiefgehendes Research mithilfe einer strukturierten Checkliste, die zentrale Aspekte wie Geschäftsmodell, finanzielle Stabilität und Wettbewerbsvorteile systematisch prüft. Sowohl Modell als auch Checkliste wurden über Jahre aufgebaut, werden laufend verfeinert – und sind in dieser Tiefe und Kombination nur schwer zu replizieren.
Trotz der Gründung von Sonnenburg Investments und Ihrer Erfolge als Portfolio-Manager, sind Sie der Uni Köln und der WiSo Fakultät weiterhin eng verbunden und bieten regelmäßig das Master-Seminar „Applied Equity Research“ an – eine direkte Verbindung von Lehre und Praxis in der Finanzwissenschaft, die so in der akademischen Ausbildung eher die Ausnahme ist. Können Sie das näher beschreiben? Und woher kommt die Motivation?
Mit dem Seminar Applied Equity Research ermöglichen wir Studierenden, wissenschaftlich fundiertes Investieren praxisnah anzuwenden. Über drei Monate analysieren sie eigenständig ein reales Unternehmen und erstellen einen umfassenden Research-Report. Dabei begleiten wir sie bei jedem Schritt.
Wir investieren langfristig in Qualitätsunternehmen, die günstig bewertet sind und deren Geschäftsmodelle wir im Detail verstehen.
Der Analyseprozess orientiert sich an unserem Fondsansatz: wissenschaftlich fundiert, faktenbasiert, strukturiert – mit dem Ziel, Geschäftsmodelle wirklich zu verstehen. So erleben die Studierenden hautnah, wie unser Ansatz in der Unternehmensanalyse funktioniert.
Entstanden ist das Seminar aus zwei Beobachtungen, die mich schon länger beschäftigen: In den USA ist diese Art der Lehre längst Standard – hierzulande aber noch die Ausnahme. Gleichzeitig zeigen Studien, wie stark solche Formate das Finanzwissen, die kritische Denkweise und die Berufsvorbereitung fördern. Das Feedback ist durchweg positiv – und für mich ist es einfach schön zu sehen, wie viel Begeisterung für langfristiges Investieren dabei entsteht. Es ist unser Beitrag zu anwendungsorientierter Finanzbildung.
Sie bieten das Master-Seminar „Applied Equity Research“ auch an der Bergischen Universität Wuppertal, der TU Dortmund und der Universität Bielefeld an. Das Besondere: Am Ende des Semesters entsendet jede der vier Universität ein Team zu einem Finaltag, bei dem die Studierenden das Unternehmen vorstellen, das sie bereits während des Semesters analysiert haben. Was ist die Motivation für die Studierenden bei diesem Wettbewerb, unabhängig von einer tollen Chance, sich vor einer Jury von gestandenen Führungskräften aus der Investmentbranche zu präsentieren?
Der Finaltag ist für die Studierenden ein echtes Highlight. Dass sie ihre Analyse vor einer Jury aus erfahrenen Branchenvertreter:innen vorstellen können, ist eine seltene Gelegenheit, die fachlich fordert und echte Sichtbarkeit bietet. Die Erfahrungen aus dem Seminar zahlen sich aus: Ein Teilnehmer konnte durch seinen Research-Report eine Bewerbungsrunde überspringen und arbeitet heute als Fondsmanager. Ein anderer wurde durch seine Präsentation Vorstandsassistent bei einem unserer Praxispartner. Darüber hinaus konnten wir zahlreiche weitere Praktika, Werkstudentenstellen und Einstiegspositionen vermitteln.
Neben dem Lerneffekt und den Karrieremöglichkeiten gibt es einen weiteren Anreiz: Je nach Platzierung erhalten die Universitäten Fördergelder, die direkt den Studierenden zugutekommen. Als Sieger des vergangenen Finaltags erhielt das WiSo-Team zum Beispiel eine Fördersumme von 7.200 €, die in diesem Jahr in Form von vier Deutschlandstipendien für die Universität zu Köln ausgezahlt wird.
Der Finaltag ist für die Studierenden ein echtes Highlight. Dass sie ihre Analyse vor einer Jury aus erfahrenen Branchenvertreter:innen vorstellen können, ist eine seltene Gelegenheit, die fachlich fordert und echte Sichtbarkeit bietet.
Auch dieses Jahr bieten Sie das Seminar wieder an. Wie ist Ihre Erwartung für den Finaltag 2025? Wird der Wettbewerb 2025 durch neue Herausforderungen oder frische Impulse noch anspruchsvoller?
Erst einmal freut es mich, dass es in diesem Jahr um eine nochmals höhere Fördersumme beim Finaltag geht. Mit dem Wachstum unseres Fonds steigt auch die Fördersumme. Weil wir viele neue Anleger:innen gewinnen konnten, liegt der Förderbetrag diesmal bei rund 20.000 Euro – eine starke zusätzliche Motivation für die Studierenden.
Auch der Wettbewerb wird intensiver: Köln will die Siegesserie fortsetzen, andere Universitäten wollen angreifen. Gleichzeitig entwickeln wir das Rahmenprogramm weiter. Besonders freue ich mich auf die Vorträge unserer Praxispartner DEVK Versicherungen und der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse des Verbandes der Diözesen Deutschlands (KZVK). Gerade im aktuellen Kapitalmarktumfeld bieten sie wertvolle Einblicke in die Perspektive großer institutioneller Investoren – praxisnah und relevant für die Studierenden.
Ergänzt wird das Programm durch wissenschaftliche Impulse und einen Startup-Vortrag – um auch neue Denkansätze und unternehmerische Perspektiven zu vermitteln. Wir wollen den Studierenden wieder einen besonderen Tag bieten – damit sie am Ende merken: Das war mehr als nur ein Seminar.
Lieber Herr Dr. Sonnenburg, ich bedanke mich für Ihre Zeit und für das Interview.