Constantin Grywatz im Interview
Unser Alumnus Constantin Grywatz (Abschlussjahrgang 2019) hat an der WiSo Sociology and Social Research studiert. Derzeit arbeitet er als Evaluator beim Deutschen Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit (DEval) in Bonn. Im Alumni-Interview erzählt er uns über seine vielfältigen Aufgaben beim DEval, warum er in Köln studieren wollte und wie ihm die Methodenkenntnisse aus den Statistik-Modulen bei seiner täglichen Arbeit helfen.
Die Sozialwissenschaften sind ein unheimlich breites Feld und berühren nahezu alle Bereiche unseres täglichen Lebens. Sich damit auseinanderzusetzen, warum bspw. politisch-gesellschaftliche Systeme so sind wie sie sind, ist meines Erachtens der beste Weg, zu hinterfragen, wie wir leben und was wir als Gesellschaft vielleicht besser machen können.
Lieber Constantin, du hast zunächst Sozialwissenschaften in Düsseldorf studiert und schließlich an der WiSo in Köln deinen Master in Sociology and Social Research gemacht. Wie ist die Entscheidung gefallen, an der WiSo zu studieren?
Der Bachelor-Studiengang Sozialwissenschaften an der Uni Düsseldorf umfasst drei Komponenten: Soziologie, Politikwissenschaften sowie Kommunikations- und Medienwissenschaften. Anfangs lag mein Fokus auf der Politikwissenschaft. Politische Theorien hatten mich mein Studium hindurch fasziniert und ich interessierte mich schon früh im Studium für das Tätigkeitsfeld Politikberatung.
Gleichzeitig sah ich aber auch in der Soziologie viele Ansätze, die eine Tätigkeit in diesem Bereich ergänzen könnten. Neben den umfangreichen theoretischen Modellen empfand ich die empirischen Methoden als sehr interessant, auch wenn Statistik nie meine große Stärke war.
Als sich das Ende meines Bachelors abzeichnete und ich mir überlegen musste, ob ich noch einen Master machen oder ins Berufsleben einsteigen wollte, recherchierte ich nach Optionen für einen Master. Dabei war für mich primär wichtig, ein klares Set an „Handwerkszeug“ für mich zu erlangen, welches meine bisherigen Kenntnisse ergänzen würde.
Der Studiengang Sociology and Social Research an der WiSo war für mich ideal. Nicht nur konnte ich meine Kenntnisse um Theorien der Soziologie erweitern, ich konnte auch ein sehr breites Spektrum sozialwissenschaftlicher Methoden abdecken. Dass der Studiengang – im Gegensatz zu den meisten sozialwissenschaftlichen Studiengängen – ein Master of Science war, war für mich ein weiteres Plus. Nicht zuletzt ist Köln auch einfach eine sehr lebenswerte Stadt, was dann die Entscheidung besiegelte.
Du hast bereits während des Studiums und schließlich nach deinem Abschluss beim Deutschen Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit (DEval) in Bonn gearbeitet. Dort bist du seit Anfang 2023 Evaluator. Kannst du uns kurz beschreiben, wie deine Karriere bislang verlaufen ist und was deinen Job ausmacht?
Zum Ende meines Bachelors bestand die Option, eine Prüfungsleistung in Form eines Praktikums zu absolvieren. Also machte ich mich auf die Suche nach einem Praktikumsplatz, um noch ein paar neue praktische Erfahrungen zu machen.
Bei dieser Recherche stieß ich auf das damals noch junge DEval, welches in 2012 erst seine Arbeit begonnen hatte und erhielt einen Praktikumsplatz. Zum Ende meines Praktikums hatte ich einen breiten Einblick in das Personal- und Wissensmanagement sowie darüber hinaus in den Aufbau einer allgemeinen IT-Infrastruktur zum Wissensmanagement wie bspw. die Einrichtung eines SharePoints und die Strukturierung der dazugehörigen Meta-Daten erhalten, so dass mir ein Job als Hilfskraft angeboten wurde.
Der Studiengang Sociology and Social Research an der WiSo war für mich ideal. Nicht nur konnte ich meine Kenntnisse um Theorien der Soziologie erweitern, ich konnte auch ein sehr breites Spektrum sozialwissenschaftlicher Methoden abdecken.
Kurz bevor ich dann mit der Arbeit an meiner Masterarbeit begann, wurde am DEval eine Stelle als Projektadministrator für ein neues Forschungs- und Beratungsprojekt zu rigorosen Wirkungsevaluierungen in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit ausgeschrieben. Die Stelle hatte zwar keinen wissenschaftlichen Fokus, passte aber sehr gut auf mein bisheriges Profil. Ich habe mich auf diese Stelle beworben und bekam sie dann auch.
Die Stelle war zwar eher administrativ, beinhaltete aber auch eine Komponente zur Unterstützung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Projektes bei Rechercheaufgaben, der Bereinigung von Datensätze und der Erstellung von Fragebögen. Darüber hinaus plante ich mit dem Projektteam Konferenzen und Workshops, übernahm das projektinterne Dienstreisemanagement und die Durchführung von Auftragsvergaben.
Nach Abschluss meines Studiums unterstützte ich das Team schließlich unter anderem bei der Erstellung eines Forschungsberichtes, der in 2021 finalisiert und veröffentlicht wurde. Begleitend dazu erstellten wir auch eine Website, die die Inhalte des Berichtes ergänzen und diese gut verständlich abbilden sollte. Bei all diesen Aufgaben war es wichtig, dass administrative und wissenschaftliche Prozesse Hand in Hand gehen. Die sich anschließende Disseminierungsveranstaltung zu all diesen Produkten war ein voller Erfolg. Darüber hinaus haben wir im Projektteam mit der International Initiative for Impact Evaluation (3ie) eine Evidenzkarte (Evidence Gap Map | EGM) erstellt, eine internationale Konferenz mit der Campbell Collaboration organisiert, zahlreiche qualitative, explorative Interviews mit deutschen und internationalen Expertinnen und Experten durchgeführt, einen Online-Fragebogen mit einer experimentellen Komponente entwickelt und Trainings- und Infoveranstaltungen rund um das Thema (rigorse) Evidenz (RIE) abgehalten.
Allgemein bietet das DEval viel Raum und Möglichkeit für Austausch und Weiterentwicklung. Aktuelle Themen werden stets aufgegriffen, neue Methoden besprochen und das Wissen um die Nutzung von Statistik und anderer Software und Apps stets geteilt und genügend Zeit zur Einarbeitung geboten.
Nach Veröffentlichung des Berichtes und der begleitenden Produkte verließen einige Teammitglieder das Projekt und wechselten entweder in andere interne Projekte oder verließen das DEval auf dem Weg zu neuen Ufern. Ich blieb als einziges Projektgründungsmitglied und somit als Wissensträger übrig und bewarb mich auf eine der freigewordenen Stellen als Evaluator. Ich bekam die Stelle und kann das Projekt nun noch das finale Jahr hindurch begleiten.
Allgemein bietet das DEval viel Raum und Möglichkeit für Austausch und Weiterentwicklung. Aktuelle Themen werden stets aufgegriffen, neue Methoden besprochen und das Wissen um die Nutzung von Statistik und anderer Software und Apps stets geteilt und genügend Zeit zur Einarbeitung geboten.
Hat dich dein Studium auf deine Aufgaben im Job vorbereitet? Gab es bspw. Inhalte im Studium, die du immer noch jeden Tag anwenden kannst?
Auf meinem Werdegang haben die im Studium erlangen Qualifikationen mich auf jeden Fall weitergebracht. Besonders das sehr breite Methodenspektrum des Masters hat es mir ermöglicht, allen fachlichen Diskussionen folgen zu können. In dem Forschungsprojekt, in dem ich erst als Projektadministrator und nun als Evaluator tätig bin, lag der Fokus auch auf der Steigerung der Kenntnis über rigorose Methoden in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Die in den Statistik-Modulen gelehrten Methodenkenntnisse konnte ich hier einbringen. Insbesondere haben auch die Seminare der Sozialpsychologie mein Verständnis von Randomised Controlled Trials (RCTs) und von quasi-experimentellen Methoden geschaffen, die ich im Rahmen meiner Tätigkeit am DEval vertiefen konnte.
Tätigkeiten, in denen ich meine im Master erlangten Fähigkeiten täglich anwenden kann, sind besonders die sehr umfangreichen Kenntnisse im wissenschaftlichen Arbeiten. Meine Tätigkeit als Evaluator umfasst auch viele Lesephasen. Oft muss man schnell einen Bericht oder einen Journal-Artikel auf bestimmte Schlagworte scannen. Hier sehe ich besonders auch die Tatsache, dass der Master auf Englisch war, als sehr großen Vorteil, da der Großteil der aktuellen Forschung auf Englisch ist und wir am DEval auch oft auf Englisch publizieren. Der Forschungsbericht des Projektes, in dem ich tätig bin, wurde komplett auch Englisch verfasst und auch unsere Website wird auf Englisch geführt.
Auf meinem Werdegang haben die im Studium erlangen Qualifikationen mich auf jeden Fall weitergebracht. Besonders das sehr breite Methodenspektrum des Masters hat es mir ermöglicht, allen fachlichen Diskussionen folgen zu können.
Besonders häufig habe ich meine Kenntnisse in der Bearbeitung von Daten anwenden können. Nicht nur im wissenschaftlichen Bereich, sondern besonders auch im Daten- und Dokumentenmanagement. Das Grundverständnis von Daten und deren Aufbau ist eine Qualifikation, die ich erst im Master richtig festigen konnte. Hier haben besonders auch die Tutorien (in Stata und R) wirklich sehr weitergeholfen.
Welche Podcasts, Websites, Blogs, Tageszeitungen etc. nutzt du, um dich über aktuelle Entwicklungen zu informieren, die für deine Arbeit wichtig sind?
Bei Podcasts höre ich wenig zur beruflichen Weiterentwicklung per se. Ich verfolge besonders gerne Podcasts zu politischen Themen, Geschichte und Zeitgeschehen. Die Weltzeit und Weltspiegel Podcasts höre ich bspw. sehr gerne, da sie oftmals Themen besprechen, die mir in meinem Arbeitskontext begegnen und den Transfer aktueller Forschung auf globale Kontexte erleichtern.
Da meine derzeitige Tätigkeit viel mit Wissenschaftskommunikation zu tun hat, höre ich auch sehr gerne die Quarks Science Cops. Die Art und Weise dieser Kommunikation haben wir im Projektteam schon das ein oder andere Mal besprochen. Und wann immer dort Systematische Reviews besprochen werden, klingeln bei mir die Ohren.
Was würdest du unseren Studierenden abschließend gerne mit auf den Weg geben? Hast du drei Tipps für das Studium oder die berufliche Orientierung danach?
Seid offen für Neues und lasst euch auch auf Tätigkeiten und Jobs ein, die auf den ersten Blick vielleicht abwegig scheinen. In meinem beruflichen Werdegang merke ich häufig, wie stark es mich beeinflusst hat, dass ich auch in Jobs tätig war, die gefühlt keine direkte Verbindung zu meinem Studium hatten. Ich denke, dass ich mich dadurch heute gut in neue Situationen und Aufgaben einfinden kann. Weiterhin habe ich in diesen Kontexten auch Personen kennengelernt, die ich in einem rein wissenschaftlichen Kontext wohl nicht kennengelernt hätte. Der Perspektivwechsel und das Bewusstsein gegenüber anderen Lebensrealitäten, sind für mich Aspekte, die ich nicht missen möchte.
Und gibt es etwas, das du speziell den Studierenden der Sozialwissenschaften mit auf den Weg geben möchtest?
Die Sozialwissenschaften sind ein unheimlich breites Feld und berühren nahezu alle Bereiche unseres täglichen Lebens. Sich damit auseinanderzusetzen, warum bspw. politische und gesellschaftliche Systeme so sind wie sie sind, ist meines Erachtens der beste Weg, zu hinterfragen, wie wir leben und was wir als Gesellschaft vielleicht besser machen können. Ich denke, die Sozialwissenschaften geben Studierenden die Chancen und das systematische Denken, daran mitzuarbeiten.
Ich bedanke mich für deine Zeit und für das Interview.