Beatrix von Rantzau im Interview
Unsere Alumna Beatrix von Rantzau (Abschlussjahr 2014) hat an der WiSo Volkswirtschaftslehre sozialwissenschaftlicher Richtung studiert. Seit ihrem Abschluss war sie in unterschiedlichen Funktionen für die pme Familienservice GmbH tätig. 2022/23 hat sie am INeKO-Institut an der Uni Köln berufsbegleitend eine Ausbildung zur Trainerin gemacht und bietet seitdem für pme Moderationen, Impulsvorträge und Teamworkshops an. In unserem Alumni-Interview erzählt sie uns, wie ihr Studium ihren Blick für Potenziale geschärft hat, welche Rolle Achtsamkeit für gute Zusammenarbeit spielt und was für sie unerlässliche Faktoren gelingender Vereinbarkeit sind.
Was ich aus der VWL in die Arbeitswelt mitgenommen habe, ist die Perspektive, auf Ineffizienzen zu achten und möglichst etwas dagegen zu tun. Das versuche ich mir zu bewahren, auch wenn man damit in der Corporate World auch mal auf Widerstände stößt.
Liebe Beatrix, du hast an der WiSo dein Diplom in VWL in sozialwissenschaftlicher Richtung gemacht. Heute arbeitest du bei der pme Familienservice GmbH, einer Agentur, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Unternehmen auf vielfältige Weise dabei unterstützt, Beruf und Privatleben gelingend zu vereinbaren. Was interessiert dich daran?
Das Thema Vereinbarkeit interessiert mich, weil ich als Volkswirtin nach Wegen suche, vorhandene Ressourcen und Potenziale bestmöglich zu nutzen. Und wenn es um die Vereinbarung von Beruf und Privatleben geht, gibt es einiges an ungenutztem Potenzial. Nehmen wir das Beispiel Familiengründung: Wir haben in Deutschland ein großes Fachkräftepotenzial an gut ausgebildeten Frauen, die mit der Geburt der Kinder ihre Erwerbsarbeitsstunden reduzieren und die dann zum Teil unfreiwillig in (niedriger) Teilzeit verharren und keine Möglichkeit finden, an ihre berufliche Entwicklung vor der Familiengründung anzuknüpfen. Das ist ineffizient. Es trägt nicht gerade zur persönlichen Zufriedenheit bei – übrigens auch nicht bei den Vätern, die vielleicht gerne einen aktiveren Familienpart übernehmen würden, aber stattdessen den bestehenden Systemanreizen folgen. Außerdem manifestiert es den Gender Pay Gap und später den Gender Pension Gap. Vereinbarkeit und die partnerschaftliche Verteilung der Care-Arbeit sind in meinen Augen die Grundvoraussetzung für Gleichberechtigung.
Wenn ich meine Energiequellen kenne, kann ich viel für mein Arbeitsglück und meine Gesundheit tun.
Wie spiegelt sich das in deiner Arbeit wider?
Mit meiner Arbeit bei pme kann ich zur verbesserten Vereinbarkeit beitragen und über die Möglichkeiten von New Work aufklären. Damit wird für die Einzelnen und die Unternehmen der Kuchen größer und dieses WinWin finde ich spannend. Jetzt wird das Thema mit der wachsenden Fachkräftelücke immer drängender. Und als Mutter zweier Kleinkinder hat es inzwischen für mich auch eine persönliche Dimension.
Hat dich dein Studium auf die Arbeitswelt vorbereitet? Wie ist dir der Wechsel vom Studium in die Berufspraxis gelungen?
Gute Frage. Bestimmt insofern, als dass das Studium eine Zeit war, um die wissenschaftliche Neugier zu verinnerlichen und reich an Begegnung mit unterschiedlichen Menschen und Perspektiven. Das ist hilfreich in einer Welt mit komplexen Realitäten. Was ich aus der VWL in die Arbeitswelt mitgenommen habe, ist die Perspektive, auf Ineffizienzen zu achten und möglichst etwas dagegen zu tun. Das versuche ich mir zu bewahren, auch wenn man damit in der Corporate World auch mal auf Widerstände stößt.
Mein Wechsel in die Berufspraxis war wahrscheinlich klassisch: Praktikum bei pme. Dann dort Einstieg als Projektmitarbeiterin beim New Work-Kongress Humanomics während der Diplomarbeit. Über einige Jahre Messeleitung und Key Account Management hin zur pme Akademie, wo ich jetzt als Trainerin aktiv bin – zu Themen rund um Kommunikation und eine Arbeitswelt, die am individuellen Wohlergeben ausgerichtet ist.
Vereinbarkeit und die partnerschaftliche Verteilung der Care-Arbeit sind in meinen Augen die Grundvoraussetzung für Gleichberechtigung.
Das Thema Achtsamkeit ist ja gerade in aller Munde. Was bedeutet Achtsamkeit für dich und welche Rolle spielt sie in deinem Arbeitsalltag?
Achtsamkeit bedeutet für mich, auf meine Bedürfnisse zu achten. Im beruflichen Kontext heißt das herauszufinden, was ich brauche, damit es mir bei der Arbeit gut geht und damit mein Energiehaushalt ausgeglichen ist. Dabei hilft es z.B. sich zu fragen, welche Aspekte der Arbeit mir eher Energie geben und welche mich Energie kosten. Und zu wissen, wie ich mich nach der Arbeit gut erholen kann. Dann kann ich versuchen, möglichst viele Energiespender einzubauen. Das kann z.B. heißen, sich zum konzentrierten Arbeiten aus dem Großraumbüro zurückzuziehen, die Mittagspause in Bewegung zu verbringen oder die Arbeitszeit an den persönlichen Biorhythmus anzupassen. Als introvertierter Mensch plane ich mir z.B. bewusst Rückzugsphasen alleine ein, um meinen Akku wieder aufzuladen. Wenn ich meine Energiequellen kenne, kann ich viel für mein Arbeitsglück und meine Gesundheit tun.
Klarheit über die eigenen unerfüllten oder erfüllten Bedürfnisse hilft auch dabei, die eigenen alltäglichen Emotionen besser zu verstehen. So kann ich z.B. im Bedürfnis nach Anerkennung oder nach Unabhängigkeit meine persönlichen Stressverstärker aufdecken. In der Zusammenarbeit trägt genau dieser Bedürfnisblick zu gegenseitigem Verständnis und guter Kooperation bei und hilft sogar, Konflikte zu lösen.
Im Hinblick auf meine berufliche Entwicklung bedeutet Achtsamkeit, auf meine Intuition zu hören und die Verantwortung für meinen Weg zu übernehmen. Ich versuche gemäß meinen Werten zu leben und zu arbeiten nach dem Motto Love it, change it or leave it.
Probier‘ dich aus. Du wirst den Weg finden, der zu dir passt. Das Studienfach ist dabei zweitrangig. Ganz viel, was du für deinen Erfolg brauchst, ist sowieso schon in dir drin.
Wie bringst du persönlich Beruf und Privatleben in Einklang?
Ich habe zwei kleine Kinder und arbeite angestellt 32 Stunden pro Woche. Weil wir inzwischen in Hessen wohnen, ist mein Arbeitsweg ins Kölner Büro weit. Das funktioniert nur, weil wir ein stabiles familiäres Netzwerk haben und uns die Care-Arbeit partnerschaftlich aufteilen. Und weil ich remote und zeitlich flexibel arbeiten kann. Wäre das keine Option bei pme, würde es für uns nicht funktionieren. Trotzdem bleibt es in der aktuellen Lebensphase natürlich immer ein Spagat zwischen den Verantwortungen und dem Bedürfnis nach persönlicher Ruhezeit.
Könntest du den folgenden Satz vervollständigen: Denke ich an meine Studienzeit in Köln zurück, denke ich...
… an große Freiheit und fühle wohlige Sentimentalität. Es war eine sehr schöne Zeit in dieser lebendigen Stadt mit Begegnungen fürs Leben. Ganz besondere Erinnerungen verbinde ich dabei auch mit meiner Zeit im Jugendchor St. Stephan.
Würdest du unseren Studierenden abschließend noch drei Tipps mit auf den Weg geben?
1. Auch wenn es oft stressig ist - genieß‘ die Freiheit der Studienzeit.
2. Wenn du die Chance hast, mach ein Auslandssemester. Das ist auch super, um sich selbst nochmal neu kennenzulernen.
3. Probier‘ dich aus. Du wirst den Weg finden, der zu dir passt. Das Studienfach ist dabei zweitrangig. Ganz viel, was du für deinen Erfolg brauchst, ist sowieso schon in dir drin.
Ich bedanke mich für deine Zeit und für das Interview.