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Christian Jager im Interview

Foto: InnovaPrax GmbH

„In der Gesundheitsökonomie ist es wichtig sich treu zu bleiben und zu verstehen, dass es nicht nur um Betriebswirtschaft, sondern um die Versorgung der Bevölkerung geht.“

Unser Alumnus Christian Jager (Jahrgang 2015 – Master Gesundheitsökonomie) ist Gründer und Geschäftsführer von InnovaPrax GmbH, eine Unternehmensberatung im Gesundheitswesen.
Vor der Unternehmensgründung arbeitete Christian Jager mehrere Jahre als Rettungsassistent im öffentlichen Rettungsdienst und in einer zentralen Notaufnahme. Die Arbeit im Rettungsdienst führte ihn in zahlreiche Praxen, Pflegeheime und weitere Einrichtungen des Gesundheitswesens. Durch seine Eindrücke und Erfahrungen, die er dort gewann, entstand die Idee für sein Unternehmen. Der Fokus seiner Arbeit liegt in den Bereichen Qualitätsmanagement, Hygiene und Datenschutz. Mit seiner Arbeit unterstützt Christian Jager Arztpraxen, Zahnarztpraxen, Pflegeheime, ambulante Pflegedienste sowie Rettungsdienste und deren Organisationen dabei, eine qualitativ hochwertige Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten.

Wir sprachen mit ihm über die Auswirkungen der Corona-Krise auf das Gesundheitswesen und über seine Studienzeit an der WiSo-Fakultät. Darüber hinaus gibt er unseren Studierenden wertvolle Tipps.

Lieber Herr Jager, durch die Corona-Krise sind die Gesundheitssysteme vieler Länder auf den Prüfstand. Was bedeutet die Pandemie für deutsche Kliniken, Pflegeheime und Arztpraxen? Ist es möglich eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung der Bevölkerung zu gewährleisten?

Die aktuelle Situation stellt die Akteure in unserem Gesundheitswesen vor immense Herausforderungen. Beim Anlaufen der Krise war eine Verunsicherung vor allem bei Krankenhäusern und Praxen zu spüren. Die Informationskanäle des Bundes oder der Länder waren am Anfang noch nicht richtig ausgebaut, sodass wir viel Zeit darauf verwendet haben unsere Kunden mit aktuellen und seriösen Informationen zu versorgen.
Der Beratungsbedarf bei den von uns betreuten Gesundheitseinrichtungen stieg stark an. Teilweise meldeten unsere Kunden bereits Engpässe bei Desinfektionsmitteln, bevor es dafür Regelungen gab. Das war und ist dann ein schmaler Grat, um die richtigen Empfehlungen auszusprechen.

In der Anfangsphase waren wir fast täglich mit Ministerien, Verbänden und Instituten in Kontakt. Die Umsetzung von neuen Empfehlungen und Verordnungen hat in den Kliniken, Praxen und Pflegeheimen viele Ressourcen gekostet. Diese Ressourcen sind in Deutschland vorhanden, ohne das die Qualität unserer Behandlung leidet.
Wir haben gesehen, wie schnell unsere Gesundheitseinrichtungen reagieren können. Daher bin ich davon überzeugt, dass unser Gesundheitssystem leistungsfähig ist und eine hochwertige Versorgung für unsere Bevölkerung gewährleisten kann.  
Wichtig ist, dass wir aus dieser Pandemie lernen und die richtigen Schlüsse ziehen.

Die Kapazitäten in unserem Gesundheitssystem sind bereits für die gesamte Bevölkerung ausgelegt und das mit nicht wenigen Arztkontakten.

Wie ist das deutsche Gesundheitswesen, Ihrer Meinung nach, auf die Corona-Krise vorbereitet?

In Deutschland sind wir eine hochwertige Versorgung gewöhnt. Jeder in Deutschland hat Zugang zu medizinischer Versorgung. Das ist wichtig und richtig.
Das in einer solchen Krise aufrecht zu halten ist nicht leicht. Das verdanken wir aus meiner Sicht vor allem den Kolleginnen und Kollegen in Krankenhäusern, Pflegeheimen, Arztpraxen, Rettungsdiensten und Feuerwehren. Diese leisten unabhängig von Qualifikation oder Berufsgruppe bereits im „Normalbetrieb“ enorm viel.
Beide Aspekte helfen uns in der aktuellen Krise. Die Kapazitäten in unserem Gesundheitssystem sind bereits für die gesamte Bevölkerung ausgelegt und das mit nicht wenigen Arztkontakten. Davon sind einige aufschiebbar oder nicht notwendig. In einem solchen Szenario haben wir also mehr Kapazitäten, die wir mobilisieren können. Darüber hinaus haben wir auch strukturelle Vorteile gegenüber anderen Ländern. Diese betrifft unter anderem unseren starken ambulanten Sektor.

Präventiv hätte man noch viel mehr machen können. In unserer Demokratie gibt es politisch verantwortliche, die Entscheidungen treffen müssen, wofür unser Steuergeld ausgegeben wird. Am Ende ist es dann eine Abwägung zwischen den verschiedenen „Töpfen“.
Daher kann ich es nachvollziehen, dass man in der Vergangenheit diesen Punkt vielleicht etwas vernachlässigt hat. Die Frage, ob das was wir bisher veranlasst haben, ausreicht kann man somit erst nach der Krise beurteilen.

Wer hätte vor einigen Monaten daran geglaubt, dass ein politischer Konsens in so kurzer Zeit möglich ist? Ich habe die Bundespolitik und auch die Landesregierungen bisher noch nie so klar und deutliche kommunizieren sehen wie in diesen Tagen.

Wie bewerten Sie das Krisenmanagement von Gesundheitsminister Jens Spahn?

Wie ich schon vorhin ausgeführt habe, sind wir in Deutschland etwas langsam ins Laufen gekommen. Zumindest die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit kam relativ spät.
Das RKI beschäftigt sich jedoch schon länger mit Covid-19. Zum Beispiel haben wir bereits Anfang Februar auf Basis der RKI-Empfehlungen unsere Kunden zu Desinfektionsmaßnahmen und persönlicher Schutzausrüstung informiert. Die Fachkreise hatten es viel früher im Blick. Daher ist meine Überzeugung auch, dass die Qualität unseres Krisenmanagements nicht an Einzelpersonen festzumachen ist. Die verantwortlichen Bundes- und Landesbehörden sowie Institute haben aus meiner Sicht gezeigt das sie funktionieren. Ich bin ehrlich gesagt von der Handlungsfähigkeit unseres Staates etwas beeindruckt.

Wer hätte vor einigen Monaten daran geglaubt, dass ein politischer Konsens in so kurzer Zeit möglich ist? Wahrscheinlich keiner. Ich habe die Bundespolitik und auch die Landesregierungen bisher noch nie so klar und deutliche kommunizieren sehen wie in diesen Tagen.

 

Foto: InnovaPrax GmbH

Wie denken Sie über die Nutzung von Handydaten zur Eindämmung der Pandemie?

Ich finde die Nutzung von Handydaten grundsätzlich sinnvoll. Es muss aber natürlich in enger Abstimmung mit Datenschutzexperten geschehen, um die Persönlichkeitsrechte jedes Einzelnen zu wahren.

Nur durch zufriedenen Mitarbeiter, erreichen wir zufriedene Patienten. Eine Generallösung gibt es hier nicht, sondern es braucht viele Maßnahmen, um die Gesamtzufriedenheit zu erhöhen.

Das Pflegepersonal ist vielfach überlastet. Wie kann der Pflegeberuf und die Arbeitsbedingungen verbessert werden?

Die Frage ist nicht leicht zu beantworten. Ich denke man muss auch hier mehr ins Detail gehen. Es gibt einen großen Unterschied zwischen den Berufsgruppen.
Zum Beispiel verdient ein Altenpfleger weniger als ein Gesundheits- und Krankenpfleger. Daneben sind Führungskräfte in unserem Gesundheitswesen teilweise Fachexperten aber als Führungskräfte nie richtig ausgebildet worden.
Das Beobachten wir häufig bei unseren Mandanten und daran sollten wir weiterarbeiten. Nur durch zufriedenen Mitarbeiter, erreichen wir zufriedene Patienten. Eine Generallösung gibt es hier nicht, sondern es braucht viele Maßnahmen, um die Gesamtzufriedenheit zu erhöhen.

Was raten Sie beziehungsweise wie beraten Sie, in dieser außergewöhnlichen Zeit, die Einrichtungen die Sie betreuen?

Wir haben unsere Ressourcen im Hygienemanagement deutlich aufgestockt und kümmern uns aktuell priorisiert um die hygienerelevanten Fragen unserer Bestandskunden.
Unsere Empfehlungen sind dabei so unterschiedlich, wie die Fragen. Zum einen kommunizieren wir aktuell viel, um aus der enormen Menge von Informationen für die einzelnen Kundengruppen das wichtigste herauszufiltern. Zum anderen haben wir auch weitere Maßnahmen ergriffen, um näher bei den Mitarbeitern unserer Kunden zu sein.
Ein Beispiel ist eine regelmäßige Sprechstunde rundum die Hygiene. So hat jeder Mitarbeiter die Möglichkeit in einem regelmäßigen Zeitfenster Fragen zu stellen. Die Antworten gibt es von unseren Hygieneberatern direkt. Manchmal hilft es, wen ein externer die Kommunikation der Führungskräfte so unterstützt. Durch unser Betreuungskonzept kann unser Kundenbetreuer sehr spezifisch antworten. Das liegt daran, dass die Maßnahmen des Arbeitgebers in der Regel auf Empfehlungen von unseren Beratern basieren.

 

Foto: InnovaPrax GmbH

Welches sind die für Ihren heutigen Beruf wichtigsten Inhalte oder Erkenntnisse aus Ihrem Studium?

Ich wechselte nach meinem Bachelorstudiengang an der FH zur Uni Köln.
Daher kann ich nur die Zeit im Master beurteilen. Nachdem mein Bachelor sehr betriebswirtschaftlich geprägt war, durfte ich im Master der UzK oft die volkswirtschaftliche Brille aufsetzen. Das hilft im Alltag, weil man Zusammenhänge besser versteht und Gesundheitssysteme als Ganzes betrachtet.
Diese Fähigkeiten kann man sehr gut auf praktische Herausforderungen übertragen. Oft ist es notwendig mal „heraus zu Zoomen“ und Herausforderungen mit etwas Abstand zu betrachten. So kommt man oft zu Lösungen.
Darüber hinaus sind mir Vorlesungen zur Unternehmensentwicklung, HR oder Ethik besonders im Kopf geblieben. Das ist denke ich jedoch sehr subjektiv und vor allem meinem damaligen Gründungsumfeld geschuldet.

Ich konnte in viele Felder Einblicke bekommen und somit einen ganzheitlichen Blick entwickeln.

Bitte vervollständigen Sie den Satz: Denke ich an meine Studienzeit an der Uni Köln zurück, denke ich…
...an die vielseitigen Schwerpunkte und Auswahlmöglichkeiten des Studiengangs.
Ich konnte in viele Felder Einblicke bekommen und somit einen ganzheitlichen Blick entwickeln.

Was würden Sie unseren Studierenden gerne mit auf den Weg geben? Was sind Ihre drei Tipps?

Mir hat es enorm geholfen während des Studiums bereits praktisch im Gesundheitswesen zu arbeiten. Das kann ich nur jedem empfehlen. Für Absolventen ist das zudem oft ein Wettbewerbsvorteil in der späteren Bewerbungsphase.

In der Gesundheitsökonomie ist es wichtig sich treu zu bleiben und zu verstehen, dass es nicht nur um Betriebswirtschaft, sondern um die Versorgung der Bevölkerung geht. Das geht nur gemeinsam mit den vielen Berufsgruppen der Branche. Daher sollte man allen auf Augenhöhe begegnen und vor allem bei medizinischen Themen nicht zu übergriffig werden.

Als letzten Tipp: Genießt die Studienzeit! Feiert, lernt, macht Auslandsreisen. Ein Semester mehr oder weniger entscheidet nicht über Erfolg oder Misserfolg. Wichtig ist, dass ihr euer Ding findet.

 

Interview: Ayla Wisselinck