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Boy Hengstmann im Interview

"Der wichtigste Erfolgsfaktor einer Gesellschaft oder eines Unternehmens sind die Menschen“

Wenn die Wirtschaft kriselt, ist dies auch für Jobportale und Recruiting-Dienstleister spürbar. „Hiring Freeze” ist eine gängige Reaktion der meisten Arbeitgeber*innen, wenn die wirtschaftliche Situation in Schockstarre gerät, dennoch wächst weiterhin der Fachkräftemangel zu einem „War for Talents“.
Welche Auswirkungen hat die Pandemie auf den Recruiting-Prozess? Welche Branchen sind händeringend auf der Suche nach Fachkräften? Und wie lässt sich Recruiting remote erledigen?
Unser Alumnus Boy Hengstmann (Abschlussjahrgang 2014, Master in Supply Chain Management (CEMS)) ist Head of Business Transformation bei StepStone.
Wir sprachen mit ihm über die gängigen Instrumente der Personalrekrutierung und über Jobportale. Darüber hinaus gibt er wertvolle Tipps.

Lieber Herr Hengstmann, was machen Arbeitgeber*innen um die richtigen Talente zu finden und für sich zu gewinnen?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um als Arbeitgeber spannende Talente ausfindig zu machen. Die gängigste Unterscheidung ist hierbei zwischen aktiver und passiver Suche.
Bei der aktiven Suche gehen interne Recruiter oder externe Dienstleister, wie zum Beispiel Headhunter, unterschiedliche Profile oder Lebenslaufdatenbanken von Talenten durch und versuchen einen passenden Kandidaten für eine zu besetzende Stelle zu finden. Wir bieten hierfür eine Direct Search Datenbank mit über 600.000 aktuellen Profilen qualifizierter Kandidaten.

Bei der passiven Suche schalten Unternehmen ihre Stellenanzeigen auf Jobportalen wie StepStone. Talente werden auf die ausgeschriebenen Stellen auf unserer Website aufmerksam gemacht. Hierfür nutzen wir verschiedene Online und Brand Marketing Maßnahmen. Ist ein Jobsuchender auf unserer Plattform, gibt er in unserer Suchleiste seine Anfrage ein. Unser Search & Match Algorithmus zeigt dann passende Stellenanzeigen an und das Talent kann sich im Detail zu den ausgeschriebenen Jobs informieren. Hierbei stellen wir auch weitere relevante Insights zur Verfügung, wie z.B. Unternehmensbewertungen. Jobsuchende finden auch hilfreiche Tipps und fundierte Analysen rund um Karriere, Bewerbung, Gehalt, Recruiting und Arbeitsmarkt auf unserer Seite. Wenn ein Talent dann die passende Stelle gefunden hat, kann er/sie sich direkt über unser Portal bewerben.

Für Unternehmen ist es vor allem wichtig authentisch zu sein

Boy Hengstmann

Für Unternehmen ist es vor allem wichtig authentisch zu sein. Die Firmenkultur sollte sich im gesamten Bewerbungsprozess widerspiegeln. So haben die Talente und auch die Unternehmen die beste Chance, einen perfekten Match zu finden. Ebenfalls ist ein transparenter und wertschätzender Prozess für Bewerber maßgeblich. Mit Verbindlichkeit und zeitnahem Feedback hinterlassen gute Arbeitgeber ein positives Bild bei den Talenten, auch wenn es am Ende nicht zu einer Einstellung kommen sollte.

Ein transparenter und wertschätzender Prozess ist für Bewerber maßgeblich

Boy Hengstmann
Foto: Teammeeting StepStone

Wie haben sich Stellenangebote auf Jobportalen seit Beginn der Pandemie entwickelt? Welche Auswirkungen hat die Pandemie auf den Recruiting-Prozess?

Wir haben im Zuge des ersten Lockdowns einen teils massiven Rückgang der offenen Jobs in besonders betroffenen Branchen erlebt. Dazu gehörten anfangs der Einzelhandel, die Hotellerie und natürlich die Gastronomie. Besonders letztgenannte Branche ist auch aktuell wieder vom Teil-Lockdown stark betroffen.
Auf der anderen Seite haben wir mit Beginn der Pandemie festgestellt, dass deutlich mehr Jobs in systemrelevanten Bereichen ausgeschrieben wurden. Das galt insbesondere für den Gesundheitssektor.

Seitdem erste Maßnahmen wieder gelockert wurden, haben wir eine deutliche Steigerung an Stellenausschreibungen festgestellt. Um nur eine Zahl zu nennen: Im Vergleich zum Tiefpunkt Mitte April wurden in den Folgewochen wieder ca. 90 Prozent mehr Jobs pro Woche auf stepstone.de ausgeschrieben.
Aktuell werden nach wie vor im Gesundheitssektor viele Mitarbeiter gesucht, vor allem Pflegekräfte. Aber auch im E-Commerce, im Vertrieb, in der Logistik, im IT-Bereich, im Handwerk sowie im Personalwesen suchen Unternehmen wieder verstärkt neue Mitarbeiter.

Der Recruiting-Prozess hat sich bedingt durch die Corona-Krise für viele Unternehmen verändert. Bewerbungsgespräche fanden und finden nun digitaler statt, z.B. durch Video-Interviews. Wir beobachten, dass viele Arbeitgeber die Corona-Pandemie zum Anlass genommen haben, ihre Bewerbungsprozesse deutlich stärker zu digitalisieren.

Wir beobachten, dass viele Arbeitgeber die Corona-Pandemie zum Anlass genommen haben, ihre Bewerbungsprozesse deutlich stärker zu digitalisieren

Boy Hengstmann

Welche Strategien haben Sie allgemein bei StepStone und ganz persönlich als Head of Business Transformation wegen der Corona-Krise an den Tag gelegt?

Zu Beginn der Corona-Pandemie ist die Intensiv-Medizin schnell an ihre Kapazitätsgrenze gestoßen. Wir haben uns daher sofort gefragt, wie wir helfen können. Innerhalb weniger Stunden wurde dann eine besondere Aktion gestartet: Wir haben alle Stellen, die im Gesundheitssektor im Kampf gegen das Corona-Virus benötigt wurden, kostenlos veröffentlicht. Insgesamt kamen in diesem Bereich mehr als 1.000 Jobs auf unserer Plattform zusammen.

Darüber hinaus mussten mit Beginn der Pandemie viele Arbeitgeber ihre Mitarbeiter ins Homeoffice schicken. Auch hier konnten wir schnell reagieren und eine Homeoffice-Filterfunktion auf unserer Plattform integrieren. Dieser Filter wird seitdem intensiv genutzt und ermöglicht gezielt nach Homeoffice-Jobs zu suchen.

Ein weiteres, wichtiges Thema war der Bedarf von Unternehmen, ihre Recruiting-Prozesse stärker zu digitalisieren. Im Mai haben wir daher das niederländische Unternehmen Cammio übernommen, ein Experte für Video-Recruiting-Lösungen. Damit bieten wir Recruitern nun die Möglichkeit, ihre Vorstellungsgespräche digital und sogar zeitversetzt zu führen. So helfen wir Unternehmen, ihr Recruiting auch in Zukunft flexibler zu gestalten, um noch besser die passenden Talente zu finden.

Ganz persönlich und in der Arbeit mit meinem Team, habe ich mich vor allem nach einem Leitsatz gerichtet: Change is the new normal. In der aktuellen Situation ist es wichtiger denn je adaptiv zu sein und sich somit auf stetig verändernde Umstände einlassen zu können. Meine Mitarbeiter und ich haben direkt zu Beginn der Pandemie Strukturen geschaffen, die es uns ermöglicht haben, auch remote effizient und vor allem effektiv zu arbeiten. Hierbei spielten natürlich nicht nur arbeitsbezogene Aspekte eine wichtige Rolle, sondern vor allem auch das persönliche Befinden im Homeoffice. Das Team hat dabei einen fantastischen Job gemacht und viele relevante End-to-End Projekte zum Erfolg gebracht.

Ganz persönlich und in der Arbeit mit meinem Team, habe ich mich vor allem nach einem Leitsatz gerichtet: Change is the new normal

Boy Hengstmann

Wie halten Sie sich fachlich auf dem aktuellen Stand? Gibt es Blogs, Podcasts, oder Social-Media-Kanäle, denen Sie folgen?

Natürlich gibt es viele Möglichkeiten, um sich zu Themen wie Plattform-Business, Digital Marketing, HR Tech und der Recruitingbranche auf dem Laufenden zu halten. Hier lese und höre ich alles, an das ich herankommen kann. Vor allem aber brenne ich schon seit vielen Jahren für Podcast-Formate.

Neben bekannteren Sendungen, wie dem OMR Podcast oder dem HBR IdeaCast, kann ich vor allem digital kompakt von Joël Kaczmarek empfehlen. Starke Inhalte, großartige Gäste und mit vielen Lessons Learned. Und natürlich haben auch wir von StepStone mittlerweile einen spannenden Podcast – HR snackbar.

Mein Studium hat mir ermöglicht, mit internationalen Menschen aus unterschiedlichsten Kulturen zusammen zu arbeiten und von ihnen zu lernen. Aus diesen Beziehungen profitiere ich noch heute in meiner internationalen Arbeit über alle Fachbereiche hinweg

Boy Hengstmann

Welches ist die für Ihren heutigen Beruf wichtigste Erkenntnis aus Ihrem Studium?

Der wichtigste Erfolgsfaktor einer Gesellschaft oder eines Unternehmens sind die Menschen. Neben all den relevanten akademischen Grundlagen verschiedener wirtschaftlicher Zusammenhänge und Fachthemen, sehe ich daher vor allem das stetige Lernen, Anwenden und Verbessern von emotionaler Intelligenz als Kernkompetenz für zukünftige Führung in Unternehmen.

Mein Studium hat mir ermöglicht, mit internationalen Menschen aus unterschiedlichsten Kulturen zusammen zu arbeiten und von ihnen zu lernen. Aus diesen Beziehungen profitiere ich noch heute in meiner internationalen Arbeit über alle Fachbereiche hinweg.

Bitte ergänzen Sie: „Denke ich an meine Studienzeit in Köln zurück, denke ich an …"

… den Beginn von einzigartigen Freundschaften.

Was würden Sie unseren Studierenden gerne mit auf den Weg geben? Was sind Ihre drei Tipps?

Studierende sollten frühzeitig damit beginnen sich Gedanken über ihre Zielsetzung für ihr Leben und ihr Studium zu machen. Ziele können sich im Verlauf der Zeit auch immer wieder verändern oder nachgeschärft werden. Aber es ist wichtig für sich zu erkennen, in welche Richtung man sich entwickeln möchte.

Darüber hinaus sollten sie sich über das Kursangebot der Uni und verschiedene Praktika ausprobieren, um Interessen zu entdecken und weiter vertiefen zu können.

Abschließend finde ich es besonders wichtig, sich nicht nur akademisch und professionell weiterzuentwickeln, sondern vor allem persönlich zu wachsen und Erfahrungen zu sammeln, die einen zu einem gereifteren Menschen werden lassen.

Vielen Dank für das Interview!

Interview: Ayla Wisselinck

* Wo bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen Hauptwörtern die männliche Form verwendet wird, gelten entsprechende Begriffe grundsätzlich für alle Geschlechter.