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Marie-Kristin Illigen im Interview

Stärkung von Frauen als Führungskräfte: Wir alle sind gefragt!

Unsere Alumna Marie-Kristin Illigen ist Führungskräfte- & Female Leadership Coach und hat an der WiSo- Fakultät der Universität zu Köln Betriebswirtschaftslehre studiert (Jahrgang 2007). Neben Führungskräfteentwicklung und Coaching ist sie Expertin für Design Thinking, Customer Experience Management und Organisationsentwicklung. 
Marie-Kristin Illigen ist am Dienstag, 23.06.2020 live an der WiSo-Fakultät zu erleben. Im Rahmen unserer Round Table Reihe „Stark als Frau!“ wird sie über Karriere, Weiterentwicklung und Chancengerechtigkeit sprechen.
Im Alumni-Interview sprachen wir mit ihr über Geschlechtergerechtigkeit bei der Arbeit und über „Female-Empowerment“. Außerdem gibt sie wertvolle Tipps für Studierende!

 

Liebe Frau Illigen, Frauen stehen beruflich häufig schlechter da als Männer, was bedeutet „Female Empowerment“ für Sie persönlich?

Hier geht es für mich vor allem um die Stärkung von Frauen im beruflichen Kontext. Frauen führen und agieren anders als Männer – nicht besser, nicht schlechter – einfach anders. Über die letzten Jahrzehnte haben sich viele Frauen für Gleichberechtigung eingesetzt, um so zu ermöglichen, dass Frauen heute selbstverständlich wählen gehen, studieren und arbeiten. Nichtsdestotrotz merkt man an vielen Stellen immer noch, dass es ein Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern gibt. Insofern habe ich mir als Female Leadership Coach das Ziel gesetzt, weibliche Führungskräfte auf Ihrem Weg zu unterstützen und zu bestärken.

Hier geht es im Besonderen darum sich selbst treu zu bleiben und nicht zu versuchen männliche Verhaltensweisen zu imitieren, nur um in einem meist immer noch Männer-dominierten Arbeitsumfeld bestehen zu können.

Im Klartext: sich der weiblichen Andersartigkeit bewusst zu sein und diese als Stärke zu verstehen und authentisch „Frau“-selbst zu bleiben.

Sowohl die Zeit mit und für die Kinder als auch die Verantwortung für die Finanzierung der Familie sollten von beiden Elternteilen getragen werden.

Noch heute ist es ein Thema, dass Frauen bei gleicher Qualifikation und gleicher Arbeit weniger verdienen. Warum ist das so? Was muss Ihrer Meinung nach passieren damit die „Schließung der Einkommensschere“ kein Thema mehr ist?

Ein absolut unangenehmes Thema, was in meinen Augen aber viele Facetten hat und nicht ganz so einfach aufzulösen ist. Familie (Kinder & Haushalt) und Karriere unter einen Hut zu bringen wird in den meisten Fällen immer noch von den Frauen geschultert. Mit dem Resultat, dass heute immer noch eher Frauen in Teilzeit arbeiten und damit generelle Einkommensverluste in Kauf nehmen und zudem in Gehaltsverhandlungen eine schwächere Verhandlungsposition haben.

Hier muss sich gesellschaftlich die Denk- und Handlungsweise ändern:
Sowohl die Zeit mit und für die Kinder als auch die Verantwortung für die Finanzierung der Familie sollten von beiden Elternteilen getragen werden. Das würde zu einer Umverteilung führen: Väter hätten mehr Zeit als früher für ihre Familie und weniger Hauptlast hinsichtlich der Einkommenssituation; Mütter könnten mehr für das Einkommen und die eigene Altersvorsorge tun (Stichwort Altersarmut bei Müttern).

Abgesehen davon würde sich somit auch der „Makel des Mutterseins“ auflösen: 
Dann sind es nämlich nicht mehr nur die „Teilzeit-Mütter“, die nachmittags für Termine nicht im Büro greifbar sind oder die wegen kranker Kinder nach Haus müssen. Dann ist es heute die Mutter und morgen der Vater, der zu Hause Verantwortung übernimmt und aus dem heutigen „Anders“ [Anmerkung: weil halt nicht immer im Büro greifbar (M-K I.)] entsteht das neue „Normal“.

Wenn dieses Umdenken klappt, können wir als Gesellschaft alle gewinnen! (Stichwort Fachkräftemangel, Altersarmut und viele mehr)
 

Einen Mann, der Kinder hat fragt auch keiner, wie er Job und Familie vereinbaren will oder stellt seine Führungsqualitäten in Frage

Was soll, Ihrer Meinung nach, getan werden um den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen?

Es geht vor allem um den Punkt, dass die Koordination von Familie, Haushalt und Kindern nicht mehr nur von Frauen verantwortet wird. Wir müssen als Gesellschaft davon wegkommen, dass Frauen mit Kindern in eine negativ belastete Schublade gesteckt werden. Einen Mann, der Kinder hat fragt auch keiner, wie er Job und Familie vereinbaren will oder stellt seine Führungsqualitäten in Frage. Bei Frauen ist das mit der Geburt eines Kindes leider anderes. Sobald Kinder im Spiel sind scheint es leider oftmals vergessen zu sein, was man bisher alles geleistet hat. Plötzlich fallen Sätze „DEN Job kann man nicht in Teilzeit machen“; „Führungskraft in Teilzeit – das geht nicht“. Das müssen wir ändern!

Nur wenn sowohl Mütter als auch Väter mit ihren Arbeitgebern flexible Arbeitszeitmodelle, Home-Office Regelungen oder auch gemeinsame Teilzeitvereinbarungen abschließen und so Verantwortung für Familie und auch deren Finanzierung übernehmen, kann Gleichberechtigung entstehen. Erste Unternehmen haben bereits verstanden, dass auch unter dem Aspekt von Führungskräftemangel hier ein Umdenken stattfinden muss und setzen alles daran Familie und Job für Frauen UND Männer in Einklang zu bringen.

Hier sind gesellschaftlich also alle gefragt:

  • Frauen, die ihre Partner auffordern ebenfalls Familienzeit zu ermöglichen, um somit die Verantwortung für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu teilen
  • Männer, die die Chance ergreifen mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen und die Verantwortung für die familiäre Einkommenssicherung teilen
  • Unternehmen, die ihre Grundeinstellung ändern und  flexible Arbeitszeitmodelle sowie Home-Office Regelungen anbieten; so dass Frauen (und auch Männer) in Teilzeit als Führungskräfte arbeiten können

 

Ich glaube, dass man Stärke erlangt, wenn man sich selbst treu bleibt und dazu steht „Frau-zu-sein“.

Wann ist eine Frau eine „Starke Frau“?

Das ist offen gesprochen nicht so einfach zu beantworten, weil es hier auch immer auf den individuellen Blickwinkel und die individuellen Prioritäten und Ziele der „Frau“ ankommt. Ich glaube, dass man Stärke erlangt, wenn man sich selbst treu bleibt und dazu steht „Frau-zu-sein“. Viel zu oft erlebe ich im beruflichen Kontext noch, dass Frauen versuchen durch ein männer-ähnliches Verhalten in einer Männer dominierten Runde zu bestehen.

Durch das Anerkennen und Wertschätzen und Einsetzen der „Andersartigkeit“ auch in solchen „Männerrunden“ kommt in meinen Augen die eigene Stärke als Frau zum Tragen. 

Frauen führen und agieren anders als Männer – nicht besser, nicht schlechter – einfach anders.

Welches sind die für Ihren heutigen Beruf wichtigsten Inhalte oder Erkenntnisse aus Ihrem Studium?

Wenn ich heute auf mein Studium zurückschaue, würde ich sagen, dass es zwei Themen gibt, die mich im bisherigen Berufsleben am meisten geprägt haben:

1.    Eigenständigkeit / Motivation
In den seltensten Fällen bekommt man etwas geschenkt: Alles, was man erreicht, erreicht man mit Einsatz, Motivation und Passion und natürlich immer auch mit einem Quäntchen Glück. Das Studium an der Universität zu Köln hat mich dazu angehalten, mich selbst zu organisieren, zu strukturieren und zu disziplinieren. Diese Art der Eigenständigkeit ist etwas, das Unternehmen sehr schätzen und durchaus auch erwarten – vor allem mit steigender Führungsverantwortung. 

2.    Netzwerken
Die Anforderungen, die ein Studium in Köln aber auch das erfolgreiche Bestehen im Job an einen richten sind vielfältig und vielschichtig. Das Studium hat mir gezeigt, dass man es als Einzelkämpfer vielleicht irgendwie schaffen kann. Mit einem Netzwerk an Freunden und Gleichgesinnten, geht es nicht nur einfacher, weil man sich aufteilen und austauschen kann, sondern es macht auch deutlich mehr Spaß. Zudem erweitert ein Austauschen den eigenen Horizont, da jeder Teilnehmer des Netzwerkes eine andere Perspektive und Herangehensweise hat. In einem Netzwerk zu sein und zusammen an Herausforderungen zu arbeiten, ist eine absolut essenzielle und in meinen Augen sehr bereichernde Sache.
 

Das Studium an der Universität zu Köln hat mich dazu angehalten, mich selbst zu organisieren, zu strukturieren und zu disziplinieren.

Was würden Sie unseren Studierenden im Allgemeinen gerne mit auf den Weg geben? Und was sind Ihre drei Tipps für unsere Studierenden?

Meine drei Tipps für die Studierenden sind auch das, was ich ihnen im Allgemeinen mit auf den Weg geben würde:

1.    Seid authentisch und nutzt eure Stärken
Es ist bedeutend leichter und zudem auch überzeugender, wenn man authentisch ist und sich nicht verstellt oder eine Rolle spielt. Außerdem ist es immer gut zu wissen, wo die eigenen Stärken liegen und diese möglichst einzusetzen oder Aufgaben anzunehmen, die der natürlichen Begabung entsprechen. Denn agiert man in einem Bereich, der den natürlichen Stärken entspricht, wird einem das vergleichsweise leicht von der Hand gehen. Ist man gleichzeitig auch noch authentisch, ist das eine sehr erfolgsversprechende Kombination! 

2.    Baut euch ein Netzwerk auf und nutzt und nützt euch gegenseitig
Nutzt die Kraft der Gemeinschaft und seid euch drüber bewusst, dass nicht nur im Kölschen Klüngel viele Themen innerhalb von Netzwerken vergeben werden. Hintergrund ist, dass sich in persönlichen Netzwerken solchen Menschen befinden, die man kennt und denen man vertraut. Es ist viel leichter aus dem Netzwerk jemand Passenden zu finden oder Hilfe zu bekommen, als einfach so auf dem freien Markt danach zu suchen.

3.    Seid glücklich 
Sucht euch einen Job, der euch erfüllt und glücklich macht. Viel Zeit eures Lebens werdet ihr im Job verbringen. Wenn dieser euch nicht glücklich macht, wechselt ihn. Das Leben ist zu kurz, um zu viel Zeit mit etwas zu verbringen, das euch nicht zufrieden stellt. Abgesehen davon haben Studien gezeigt, dass glückliche Menschen erfolgreicher sind und länger leben.

 

Liebe Frau Illigen, vielen Dank für das Interview!

Interview: Ayla Wisselinck