Wolfram Uerlich im Interview
„Mein Ziel ist es, den Stadtverkehr umzuorganisieren und ihn durch vorhandene Ressourcen zu verbessern“
Unser Alumnus, Wolfram Uerlich (Master Supply Chain Management, Abschlussjahrgang 2017) ist Gründer und Geschäftsführer der goFLUX Mobility GmbH. Das Start-up aus Köln betreibt eine Mitfahr-App für Pendler*innen, innerstädtische Fahrten und andere Kurzstrecken. Wir sprachen mit Wolfram über seine Idee den Stadtverkehr zu verbessern, über den Gründungsort Köln sowie über sein Studium. Darüber hinaus gibt er gute Tipps für Leben und Karriere.
Lieber Wolfram, was war Dein Beweggrund goFLUX zu gründen? Wie kam die Idee?
Die Idee kam mir durch eine persönliche Erfahrung: Als ich noch studiert habe, ist mir aufgefallen, dass die Buslinie 142 Richtung Ehrenfeld so überfüllt war, dass die Türen kaum zu gingen, während auf der Inneren Kanalstraße zig Autos fuhren, die überwiegend mit nur einer Person besetzt waren. Ein Bild, das ich eigentlich täglich im Kölner Straßenverkehr gesehen habe und das sich bisher leider nicht verändert hat. Es zeigt einfach ein Ungleichgewicht, das schon damals enormes Potential hatte, für das es aber offensichtlich keine Lösung gab. Damals habe ich auch oft Mitfahrgelegenheiten für Langstrecken genutzt und mich gefragt, wieso geht das denn nicht auch auf Kurz- oder klassischen Pendelstrecken.
Dann habe ich angefangen, mich damit zu beschäftigen und mein Ziel war, bis heute, den Stadtverkehr umzuorganisieren und ihn durch vorhandene Ressourcen zu verbessern. Außerdem wollte ich eine innovative und einfache Mobilitäts-Möglichkeit schaffen und dabei auch Pendelnde entlasten.
Wir digitalisieren verfügbare Plätze in Autos, die sonst sogenannte „Leerfahrten“ werden.
Wie funktioniert die goFLUX-Mitfahr-App?
Erstmal ist es wichtig, uns von der klassischen „Mitfahrgelegenheit“ abzugrenzen. Die gibt es ja schon seit vielen Jahren für Langstrecken. Und der Name sagt es schon – sie ist für eine gelegentliche Nutzung gedacht.
Mit goFLUX haben wir eine App entwickelt, die es Nutzenden so einfach wie möglich macht, in wenigen Sekunden Fahrten anzubieten und zu buchen. Wir haben einen Algorithmus und Features entwickelt, die es so noch nicht gab und die die Menschen, mit ihren spezifischen Bedürfnissen, abholt. Unsere Mitfahr-App ist, neben anderen nachhaltigen Angeboten, eine Möglichkeit, die den täglichen Mobilitätsbedarf decken kann.
So geht’s:
- Wenn Du die App öffnest, kannst Du einen Start- und Zielpunkt definieren.
- Danach legst Du ein Datum und eine Uhrzeit fest und entscheidest, ob Du eine Fahrt anbieten oder buchen möchtest.
- Fahrten anbieten kannst Du entweder spontan oder auch im Voraus. Außerdem kannst Du nicht nur einmalige, sondern auch regelmäßige Fahrten einstellen. Das erleichtert vor allem das pendeln, da Du sehr individuell einstellen kannst, an welchen Tagen und zu welchen Uhrzeiten Du wohin fährst. Dabei kannst Du auch flexibel bleiben, denn Deine Entscheidungen stehen beim Planen im Vordergrund.
- Wenn Du mitfahren möchtest, nutzt Du auch das Start- und Zielfeld oder das „In der Nähe“ Feature. Mit wenigen Klicks kannst Du buchen und Dein Abhol-Fahrzeug live verfolgen, sobald es unterwegs ist. Das Tolle: Unser Matching-Algorithmus bringt Menschen ohne Umwege zusammen, sodass man sich im Vorfeld nicht über einen „passenden“ Abholort unterhalten muss.
- Außerdem ist es möglich, verschiedene Präferenzen einzustellen, z.B., dass Du nur mit Frauen fahren möchtest.
- Abrechnung und Bezahlung erfolgen automatisch über die App. Mitfahrende beteiligen sich mit 15 Cent pro Kilometer, bei längeren Strecken wird der Preis nochmal günstiger. 15% bekommen wir als Provision, damit sich unsere Plattform tragen kann.
An Klimaschutz kommt heute niemand mehr vorbei. Wir sind froh, dass wir dieses Thema in Verbindung mit innovativer Mobilität angegangen sind.
Was ist der Gewinn für die Umwelt / Nachhaltigkeit und der Digitalisierung?
Wenn es um diese Frage geht, denke ich sofort immer an unsere Vision: „Stell Dir vor, Dir steht überall und jederzeit die perfekte, nachhaltige Mobilitätslösung
zur Verfügung.” Durch die goFLUX-Mitfahr-App und andere Mobilitätslösungen, möchten wir diese Vision Wirklichkeit werden lassen. Die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen werden immer individueller und wir möchten ihnen, gemeinsam mit anderen nachhaltigen Angeboten, gerecht werden.
Wer die goFLUX-App nutzt, hat nicht nur eigene Vorteile, sondern tut auch immer etwas Gutes für unser gesamtes System: Für die Umwelt und für die Gesellschaft. Jede Buchung über die App sorgt dafür, dass private Fahrten besser ausgelastet sind, dadurch reduzieren sich Staus und Emissionen. Sowohl Fahrende als auch Mitfahrende sind flexibel, günstig und nachhaltig unterwegs.
Berufs-Pendelnde sparen Spritkosten und organisieren ihre Fahrten ohne großen Aufwand. Mit unserer App digitalisieren wir verfügbare Plätze in Autos, die sonst sogenannte „Leerfahrten“ werden. Schaut man sich die Statistik an – jedes Auto ist im Schnitt nur mit 1,5 Personen besetzt – dann erkennen wir das enorme Potential, das wir gemeinsam, ohne zusätzliche Hardware, und auf einfachste Art und Weise, für uns nutzen können.
An Klimaschutz kommt heute einfach niemand mehr vorbei. Wir sind froh, dass wir dieses Thema in Verbindung mit innovativer Mobilität angegangen sind.
Köln ist eine offene Stadt, die Lust auf Nachhaltigkeit hat.
Welche Rolle hat für Dich der Gründungsort Köln gespielt?
Obwohl ich ursprünglich aus Bonn komme, fühle ich mich Köln schon lange sehr verbunden. Ich habe hier studiert, seit vielen Jahren meinen Freundeskreis aufgebaut und lebe gerne hier.
Und speziell für die Gründung bietet Köln viele Vorteile: Eine gute Infrastruktur, Unterstützungsmöglichkeiten über die Universität und das Gateway. Außerdem ein sehr gutes Gründungsnetzwerk, mit vielen anderen Start-ups und Investoren. Für unser Geschäftsmodell gibt es viele spannende Großunternehmen, mit denen wir im B2B-Bereich zusammenarbeiten können. Und letztendlich ist Köln eine offene Stadt, die Lust auf Nachhaltigkeit hat.
Wo wird goFLUX in drei Jahren sein? Was ist Euer Ziel für die Zukunft?
Wir möchten unsere Mitfahr-App jetzt erstmal im regionalen Raum erfolgreich machen. Für uns war es sinnvoll, einen örtlichen Fokus zu legen und von diesem aus weiter zu wachsen. Unser Schwerpunkt ist aktuell Köln, das Rheinland und Nordrhein-Westfalen. Möglichst bald möchten wir auch in vielen weiteren deutschen Städten und Regionen verfügbar sein und danach folgt – ganz klar – Europa!
Welchen Blogs, Podcasts, Social-Media-Kanälen usw. folgst Du, um Dich auf dem Laufenden zu halten?
Hauptsächlich höre ich den OMR Podcast von Philipp Westermeyer. Hier lerne ich vieles über digitales Marketing und bleibe über andere Themen, die mich interessieren und mir Spaß machen, auf dem Laufenden.
Ansonsten nutze ich natürlich auch viele klassische Medien, wie Tageszeitungen (Kölner Stadtanzeiger für Lokales und Regionales, die FAZ und die Welt) und lese dann speziell zu Mobilität und Nachhaltigkeit.
Ich habe BWL mit dem Schwerpunkt Supply Chain Management studiert und daraus ziehe ich viel Erfahrung im Bereich Prozesse und Unternehmensorganisation.
Welches sind die, für Deinen heutigen Beruf, wichtigsten Inhalte oder Erkenntnisse aus Deinem Studium?
Ich habe BWL mit dem Schwerpunkt Supply Chain Management studiert und daraus ziehe ich viel Erfahrung im Bereich Prozesse und Unternehmensorganisation. Wie bilde ich Prozesse ab und organisiere sie effizient, damit sie möglichst gut funktionieren? Das ist vor allem beim Aufbau und der Führung eines Unternehmens wichtig und hilfreich. Außerdem habe ich mich im Studium viel mit der Verhaltensökonomik auseinandergesetzt – wie treffen Menschen ihre Entscheidungen und wie können wir Anreize setzen, damit sie bestimmte Handlungen vornehmen? Das hat einen großen Einfluss auf unsere Produktentwicklung.
Der Bauch und das Herz wissen meist, wo es langgeht, und das ist am Ende auch richtig.
Was würdest Du unseren Studierenden im Allgemeinen mit auf den Weg geben? Was sind Deine drei Tipps für Leben und Karriere?
Studierende der BWL sprechen oft darüber, einen sehr guten Lebenslauf zu haben, viele Praktika zu absolvieren, den Abschluss in der Regelstudienzeit zu schaffen und die „richtige“ Karriere einzuschlagen. Sie haben also einen hohen Anspruch an sich selbst und an das, was in der Zukunft passieren soll. Ich kann hier nur ans Herz legen, das Studium und das Leben zu genießen. Es ist kein Problem, auch mal ein Semester länger zu studieren, Du sammelst ja wertvolle Erfahrungen. So habe ich es auch gemacht – und es war definitiv die richtige Entscheidung.
Ich denke es geht vor allem darum, sich diesen hohen Druck zu nehmen, denn der blockiert nur.
Und was die Karriere im Speziellen angeht: Auch hier entscheide ich mich immer so, dass ich mich in meinem aktuellen Leben wohl damit fühle. Was bringt es mir, 10 Jahre hart auf etwas hinzuarbeiten, wenn ich währenddessen keinerlei Privatleben und Freizeit mehr habe und das alles nicht genießen kann? Diese Zeit kriege ich nicht zurück. Ich glaube, es ist hilfreich, ein immer besseres Bauchgefühl zu entwickeln und dieses Entscheidungen treffen zu lassen.
Natürlich ist die rationale Ebene nicht irrelevant und auch finanzielle Komponenten spielen bei der Karrierewahl eine Rolle, aber der Bauch und das Herz wissen meist, wo es langgeht, und das ist am Ende auch richtig.
Vielen Dank für das Interview!
Interview: Ayla Wisselinck