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Victoria Blechman im Interview

© Martin Förster

“Nur mit divers aufgestellten Teams werden Ideen nachhaltig zum Erfolg gebracht„

Unsere Alumna Victoria Blechman ist vor mehr als zehn Jahren in die kölner Startup-Szene eingestiegen. Nach ihrem BWL-Studium (Abschlussjahrgang 2012) arbeitete sie als Produktmanagerin bei einem Musik-Streaming-Dienst. Im November 2016 gründete sie das Kunstfestival ART@TECH, welches sie auch kuratierte. Seitdem organisiert sie Festival-Editionen und Konzerte, mit denen sie Künstler*innen und Musiker*innen, die technologische Kunst entwickeln und aufführen, eine Plattform bietet. Sie plant, organisiert und moderiert als Freelancerin Veranstaltungen für verschiedene Auftraggeber, z.B. den Digitale Leute Summit, und ist Co-Founderin der moversXshakers UG. Victoria agiert als Anlaufstelle für Gründer*innen, Unternehmen und Investor*innen in ganz NRW und darüber hinaus. 
Im Rahmen des internationalen Frauentags sprachen wir über ihren Weg und den Herausforderungen für Gründerinnen in der StartUp-Szene.

Ich kenne mehrere Geschichten, in denen Frauen erst Kredite und Förderung erhalten haben, als die Entscheider*in, mit der sie dazu sprechen mussten, eine Frau war

Victoria Blechman

Liebe Victoria, laut dem deutschen Startup Monitors, ist der Anteil der Gründerinnen im Jahre 2021 auf 17,7 Prozent gestiegen und liegt erfreulicherweise über dem letzten Wert von 15,9 Prozent. Vor welchen Herausforderungen stehen, aus Deiner Sicht, Gründer*innen? 

Die Tendenz ist natürlich erfreulich und ich habe auch das Gefühl, dass in meinem persönlichen Umfeld die Zahl der interessierten Frauen wächst, die sich selbstständig machen wollen. Die Herausforderungen liegen ganz klar immer noch im allgemeinen System. Frauen bekommen seltener Kredite, werden oft nicht ernst genommen, da sie mit Menschen sprechen müssen, die nicht empathisch sind und einfach so sozialisiert wurden, dass Frauen keine große Ahnung von Business haben. Ich kenne mehrere Geschichten, in denen Frauen erst Kredite und Förderung erhalten haben, als die Entscheiderin, mit der sie dazu sprechen mussten, eine Frau war.

Zudem fehlen nach wie vor Vorbilder, die zeigen, dass Frau-Sein und Gründen sehr gut funktionieren können. Risikoaversion spielt natürlich auch eine Rolle und die auferlegte Norm, dass sich weiblich gelesene Personen mehr mit Care-Arbeit beschäftigen sollten. Und der Rückhalt in der Familie ist leider auch oftmals nicht gegeben.

Ich bin aber hoffnungsvoll, dass die Tendenz weiter nach oben gehen wird, denn nur mit divers aufgestellten Teams (in jeglicher Hinsicht) werden Ideen nachhaltig zum Erfolg gebracht.

Du bist Gründerin und Kuratorin des Kunstfestivals ART@TECH, bist Mitgründerin von moversXshakers UG, Du bist Full Stack Eventmanagerin sowie Mutter von zwei Kindern. 
Woher nimmst Du die Kraft und die Inspiration für ein so breit gefächertes Portfolio?

Ich hatte schon immer große Freude daran, mich in verschiedene Projekte einzuarbeiten. Für mich fühlt es sich natürlich und beflügelnd an, verschiedene Dinge parallel zu tun. Natürlich ist dies auch oft mit Stress, Nachtschichten und schlechtem Gewissen verbunden - das möchte ich gar nicht romantisieren. Ich merke aber, dass neue Aufgaben mich bereichern, mich auf ein neues Level - sowohl beruflich als auch mental - bringen und das ist vermutlich der Grund, warum ich diesen Weg gehe. Darüber hinaus habe ich das große Privileg, dass ich aussuchen kann, an welchen Projekten ich arbeite. Das macht die Arbeit natürlich viel angenehmer. Ich würde übrigens niemals den Spruch “finde einen Job, der dir Spaß macht und du musst nie wieder arbeiten” unterschreiben.

Auch, wenn die Arbeit Spaß macht, ist es Arbeit und sollte nicht die eine Sache sein, die eine Person zu hundert Prozent definiert. Ich freue mich definitiv auch über Auszeiten und meine Kinder helfen mir dabei, mich immer wieder zu erden und den Fokus auch auf andere Dinge zu richten.

Wichtig ist, dass man sich im Netzwerken nicht verliert und vorher für sich ausmacht, welche Kontakte, welche Netzwerk-Events wirklich sinnvoll sind

Victoria Blechman

Was bedeutet Netzwerken für Dich? Und Netzwerken Frauen anders als Männer?

Netzwerken ist in meinem Job unabdingbar. Wichtig ist nur, dass man sich nicht im Netzwerken verliert und vorher für sich ausmacht, welche Kontakte, welche Netzwerk-Events wirklich sinnvoll sind. Und dann gilt die Devise “give, give, give, ask”, die ich das erste Mal vor einigen Jahren beim Pirate Summit gehört habe. Bevor man Menschen direkt für etwas gewinnen bzw. engagieren möchte, ist es wichtig, der anderen Person zuzuhören und erst einmal selbst Hilfe anzubieten. Denn auch, wenn man nicht direkt sieht, wie das Gegenüber einem helfen kann, meistens kann man doch gegenseitig helfen und das ist der schönste Teil beim Netzwerken.

Im Allgemeinen sehe ich einen starken Zusammenhalt unter Gründer*innen. Es wird viel gegenseitig weiterempfohlen und unterstützt.

Victoria Blechman

Ich denke, Frauen netzwerken auf jeden Fall anders. Ich habe oft die Beobachtung gemacht, dass sie erst zurückhaltender sind und weniger von ihren Projekten und Unternehmen erzählen - vielleicht, weil sie oftmals die Erfahrung gemacht haben, belächelt zu werden. Männer sind da eher skrupellos. ;) Im Allgemeinen sehe ich aber einen starken Zusammenhalt unter Gründer*innen. Es wird viel gegenseitig weiterempfohlen und unterstützt.

© Martin Förster

Welche Erfahrungen haben Dich geprägt, und wie schaust Du auf die Zukunft?

Das ist eine sehr komplexe Frage, auf die ich vermutlich mit einem Essay über mehrere Seiten antworten müsste. :)

Es gibt natürlich einige Menschen, die mich geprägt haben. Manche dieser Prägungen habe ich erst viel später bemerkt. Ich denke, abgesehen von meiner Familie und meinem Mann, hat mich in beruflicher Hinsicht mein erster Job im Allgemeinen geprägt. Ich hatte schnell viel Verantwortung und einen Job Titel, den ich davor noch nie gehört hatte. Meine Zeit bei der Studierendeninitiative MTP war auf jeden Fall auch eine prägende Zeit, denn ich konnte viele Projekte initiieren, habe viele Kontakte geknüpft, die teilweise bis heute vor allem in beruflicher Hinsicht hilfreich sind und habe dort auch den Grundstein für meine Professionalität hinsichtlich Event-Management legen können. Ich denke, es ist enorm wichtig, viele Gespräche mit Menschen zu führen, die aus anderen beruflichen und kreativen Sphären kommen, um zu wachsen. Das durfte ich in den letzten Jahren viel erleben und zehre von diesem Austausch.

In die Zukunft schaue ich hoffnungsvoll. Alles andere wäre nicht tragbar. Mit der Arbeit, die ich tue, kann ich zumindest Momente schaffen, in denen Menschen zusammenkommen, sich austauschen, voneinander lernen und im besten Fall inspiriert nach Hause gehen. Damit möchte ich zumindest einen kleinen Beitrag für eine lebenswerte Zukunft leisten.

Welchen Blogs, Podcasts, Social-Media-Kanälen usw. folgst Du, um Dich auf dem Laufenden zu halten?

Da ich in verschiedenen Bereichen tätig bin, sind die Kanäle auch recht divers.

Eine kleine Auswahl:

Wenn Menschen empathisch sind, entstehen viel stärkere, langfristige Verbindungen, die für alle Beteiligten Gutes bringen

Victoria Blechman

Was würdest Du unseren Studierenden im Allgemeinen gerne mit auf den Weg geben? Was sind deine drei Tipps?

1. Empathie zeigen. Wenn Menschen empathisch sind, entstehen viel stärkere, langfristige Verbindungen, die für alle Beteiligten Gutes bringen.
2. Keine Verbissenheit. Egal, ob man mitten im Studium ist und gerade in der Klausuren-Phase steckt, oder ein Unternehmen gründen möchte und viel Stress ausgesetzt ist - dies sind alles schwierige Phasen, die aber viel leichter zu meistern sind, wenn man nicht verbissen ist, sondern versteht, dass es danach weitergeht. Auch sich selbst gegenüber sollte man mit Wohlwollen begegnen. 
3. Diversität leben. Auch, wenn man selbst keinen direkten Bezug zu Minderheiten hat, so sollte man sich bewusst sein, dass Erfolg nur in Austausch mit diversen Gruppen entsteht. Diese zu unterstützen - auf welchem Weg auch immer - sollte eine Priorität bei privilegierten Gruppen sein. 

 

Vielen Dank für Das Interview!

Interview: Ayla Wisselinck