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Dr. Juliane Kronen im Interview

Alumna Dr. Juliane Kronen Photo: Karin Desmarowitz

Leidenschaft für nachhaltige Alternativen

Was tun mit Waren, die noch neuwertig sind, aber zum Beispiel wegen Fehletikettierung nicht verkauft werden können? Wie kann man verhindern, dass solche Waren einfach entsorgt werden? Dieses Thema beschäftigte unsere Alumna Dr. Juliane Kronen. Sie wurde aktiv – und gründete die innatura gGmbH, die nachhaltige Alternativen für die Weiterverwertung von Waren anbietet.

Wir haben Juliane Kronen unter anderem gefragt, was als UnternehmensgründerIn wichtig ist und inwiefern das BWL-Studium ihr im Geschäftsleben eine Hilfe war. Außerdem gibt sie Studierenden drei Tipps.

Frau Kronen, bitte beschreiben Sie Ihr Unternehmen in einem Satz.

Die gemeinnützige innatura kümmert sich um die „andere Seite der Medaille“ unserer Überflussgesellschaft – sie sorgt dafür, dass fabrikneue Produkte, die aus vielerlei Gründen nicht in den Handel gelangen, nicht entsorgt, sondern bedarfsgerecht in den gemeinnützigen Sektor verteilt werden.

Wie kamen Sie auf die Idee, innatura gGmbH zu gründen?

Im Jahre 2009 rief mich ein ehemaliger Kollege an, der für Haarpflegeprodukte eines großen deutschen Konsumgüterherstellers verantwortlich war. Er wusste, dass ich auch bei Boston Consulting Group sogenannte „Social Impact“-Projekte, d.h. Strategiearbeit mit gemeinnützigen Organisationen machte. Er hatte 200.000 Flaschen fehletikettiertes Shampoo anzubieten – sein Unternehmen war bereit, dieses gerne in den sozialen Sektor zu spenden.

Für eine Spende gab es zwei Bedingungen: die Ware musste innerhalb von 48 Stunden vom Hof, und ich musste versprechen, dass die Ware nicht auf dem Schwarzmarkt landet, seine Marke also geschützt würde. Trotz vieler Telefonate war es unmöglich, diese Menge in zwei Tagen zu vermitteln – selbst große gemeinnützige Einrichtungen konnten nicht mehr als 1.000 Flaschen brauchen, da Lagerflächen fehlten und eher eine Auswahl verschiedener Shampoos gesucht wurde.

Dieser Posten wurde leider entsorgt, aber noch am selben Abend saß ich mit zwei BCG-Kollegen beim Kölsch zusammen, wir wollten wissen, welche Mengen fabrikneuer Produkte, die im sozialen Sektor dringend benötigt werden, entsorgt werden – und vor allem wissen, wie eine gut funktionierende Drehscheibe zwischen potentiellen Spenderunternehmen und gemeinnützigen Empfängern aussehen müßte.

Was ist aus Ihrer Sicht wichtig, um als UnternehmensgründerIn erfolgreich zu sein?

Es muss knistern! Man sollte ein eigenes Unternehmen nur dann gründen, wenn man mit Leidenschaft hinter der Idee steht. Denn eine Unternehmensgründung ist nicht nur Kopfsache.

Mich hat die Aussage meines Doktorvaters Norbert Szyperski sehr angesprochen: Für ihn ist es nicht ausreichend, wenn alle Marktanalysen stimmen - wer gründen möchte, sollte beim Gedanken an sein zukünftiges Unternehmen auch „Schmetterlinge im Bauch haben".

Seien Sie wagemutig! Eine Gründung erfordert, unternehmerisch Dinge, die noch nicht vorgezeichnet sind, zu schaffen. Dazu gehört eine gesunde Portion Wagemut. Unternehmerische Verantwortung zu übernehmen darf nicht verwechselt werden mit dem Eingehen unkalkulierter Risiken. Dazu müssen Sie Ihr Geschäftsmodell sehr genau verstehen und immer wieder überprüfen.

Wer gründet, macht alles! Buchhaltung, Personalwesen, Pressearbeit: Bereiche, die bei großen Unternehmen von ganzen Abteilungen betreut werden, landen bei ExistenzgründerInnen erst einmal auf dem eigenen Schreibtisch - dessen sollte man sich bewusst sein.

An einer Idee zu feilen macht Spaß. Aber wer sich selbstständig macht, hat plötzlich viele Aufgaben, die vielleicht nicht so sehr den eigenen Interessen entsprechen, auch die wollen erledigt werden.

Stellen Sie sich auf einen Langstreckenlauf ein – und ein paar Häkchen werden auf der To-do-Liste immer fehlen! Auch für die erfolgreichsten GründerInnen hat der Tag nur 24 Stunden.

In einem jungen Unternehmen ist es oft unmöglich, jede kreative Idee zu verfolgen, die man erarbeitet hat.

Konzentrieren Sie sich darauf, die wichtigsten Ziele zu erreichen - und lassen Sie sich von einer unvollendeten To-do-Liste nicht die Laune verderben.

Auch für die erfolgreichsten GründerInnen hat der Tag nur 24 Stunden. "In einem jungen Unternehmen ist es oft unmöglich, jede kreative Idee zu verfolgen, die man erarbeitet hat", sagt Juliane Kronen.

Hat Ihnen Ihr Studium an der WiSo-Fakultät im Geschäftsleben geholfen?

Ganz ehrlich: ein Studienabschluss verschafft einem die Eintrittskarte ins Berufsleben, die praktische Vorbereitung auf alltägliche Herausforderungen im Geschäftsleben fiel – zumindest zu meiner Zeit – eher dünn aus. Man verfügt allerdings über den theoretischen Bezugsrahmen, um die Fragestellungen, die einem in der Realität begegnen, einordnen zu können und hat eine grobe Vorstellung vom „Handwerkskasten“ der BWL.

Nur wenige Inhalte ließen sich direkt anwenden – so die Grundlagen aus der Planungslehre, das in Köln ausführlich behandelte Gesellschaftsrecht, Wissen aus dem Wahlfach Informatik – aber am meisten haben mir unerwartet die im Studium erworbenen Grundlagen in der Wissenschaftstheorie geholfen, die Realität differenziert betrachten zu können und mich in andere Positionen hineinversetzen zu können.

Poppers Ansatz des „Muddling Through“ ist die praktischste Theorie, die ich kenne.

Was sind Ihre drei Tipps an unsere Studierenden?

Trotz des engen Ausbildungskorsetts ermuntere ich Studierende, bloß nicht zu eng zu studieren, sondern sich Zeit für Allgemeinbildung zu nehmen. Dieses Privileg einer akademischen (Aus-)Bildung wird im konkreten Studienverlauf oft nicht genutzt.

Gewinnen Sie Spaß an der Erkenntnis! Genießen Sie, dass Sie nie wieder im Leben so viel Zeit haben werden, wirklich etwas zu lernen, Dingen auf den Grund zu gehen und Zusammenhänge zu verstehen.

Sammeln Sie Praxiserfahrung! Nichts ist hilfreicher, als bereits während des Studiums einen Einblick in die vielfältigen Realitäten wirtschaftlichen Handelns zu erhalten – es regt dazu an, das Erlebte im „Theoriegerüst“ des Studiums zu verorten, und Sie lernen, dass es viele Wirklichkeiten gibt, die Ihnen vorher völlig unbekannt waren. Es macht die berufliche Orientierung einfacher, wenn Sie sich bereits konkret etwas unter „Produktionsbetrieb“, „Krankenhaus“, „Büro“ oder auch „Armut“,  wenn Sie mit offenen Augen reisen – vorstellen können.

Seit 2011 sind Sie Jurymitglied der Right Livelihood Award Foundation, die jährlich den Alternativen Nobelpreis verleiht. Wie kam es dazu?

Die Fulbright Alumni, denen ich seit meinem Fulbright-Stipendium an der University of Missouri im Jahre 1984 angehöre, veranstalten jedes Jahr eine bundesweite Themenveranstaltung, das sogenannte „PowWow“.

2007 stand es unter dem Motto „Sustainable Development – der Alternative Nobelpreis“. Die Right Livelihood Award Foundation feierte damals ihr 25-jähriges Bestehen und schickte mehrere Preisträger (u.a. Raul Montenegro aus Argentinien, Ledum Mitee (Mitkämpfer des vom nigerianischen Militär hingerichteten Ogoniführers Ken Saro Wiwa) aus Nigeria und Felicitas Langer aus Israel) nach Bonn. Die anwesenden Preisträger waren inspirierende, ermutigende Beispiele dafür, dass es ganz praktische Lösungsansätze für die dringendsten Probleme unseres Planeten gibt, und wie man mit Mut und Weitsicht für viele Menschen die Lebensbedingungen verbessern kann.

Spontan bot ich dem Direktor der Stiftung, Ole von Uexküll, an, dass BCG die Stiftung bei Bedarf mit einem Social-Impact-Project unterstützen könne. Ein Jahr später haben wir dann gemeinsam die Stiftung organisatorisch neu aufgestellt. Aus dem Projekt wurde ein privates Dauer-Engagement.

2010 trug man mir an, Stiftungsvorstand zu werden. Da ich nicht nur an strategischen Fragestellungen arbeiten wollte, sondern auch neugierig auf die konkrete Arbeit unserer Kandidaten war und mir diese selbst vor Ort anschauen wollte („Due Diligence“ einmal anders), wurde ich 2011 zum Mitglied der Jury berufen.

Seitdem ist der „Alternative Nobelpreis“ mein umfangreichstes ehrenamtliches Engagement, ich verwende regelmäßig meinen Urlaub für Recherchen in aller Welt und die Weiterentwicklung der Stiftung.

Was tun Sie, um nach der Arbeit zu entspannen?

Reisen – wobei die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit dabei bewusst verschwimmt, Engagement in den transatlantischen Beziehungen, u.a. durch Vorstandstätigkeit im Amerika Haus e.V. NRW, laufen, rudern (zu selten), kochen mit Freunden, lesen (auch zu selten).

Vielen Dank für das Interview!

 

Über Dr. Juliane Kronen

Nach ihrem Studium der BWL an der WiSo-Fakultät der Universität zu Köln und der University of Missouri mit anschließender Promotion arbeitete Dr. Juliane Kronen 16 Jahre lang bei The Boston Consulting Group, davon acht Jahre als Partnerin.

Juliane Kronen beriet global operierende Unternehmen, vornehmlich aus der Telekommunikationsbranche, und verantwortete zugleich die europäische „Women‘s Initiative“ sowie Social-Impact-Projekte.

Sie ist seit 2010 Trustee der Right Livelihood Award Foundation und seit 2011 Mitglied der Jury, die alljährlich die GewinnerInnen des sog. Alternativen Nobelpreises bestimmt. Juliane Kronen gründete 2011 gemeinsam mit ehemaligen Kollegen die Innatura gGmbH, die unter der Schirmherrschaft von Prinz Charles eine nachhaltige Alternative für die Weiterverwertung von neuwertiger Ware anbietet, die ansonsten entsorgt würde.

Mehr über Juliane Kronen können Sie hier erfahren.

Interview: Ayla Wisselinck