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"Alle vollbrachten Pionierleistungen"

Erster Teil unseres Interviews mit ILIAS-Erfinder Wolfgang Leidhold.

Prof. Dr. Wolfgang Leidhold in Großaufnahme

ILIAS-Erfinder Prof. Dr. Wolfgang Leidhold / Foto: Smilla Dankert

Today’s ideas. Tomorrow’s impact. So lautet der Leitspruch der Wiso-Fakultät. An kaum einer Stelle dürfte sich der Impact einer Idee derzeit so deutlich konkretisieren, wie an ILIAS. Das „Integrierte Lern-, Informations- und Arbeitskooperations-System“ ist ein Welterfolg und landauf landab wäre die Online-Lehre an Universitäten ohne ILIAS kaum vorstellbar. Entwickelt wurde das System bereits Ende der 90er Jahre von einem Team um Professor Wolfgang Leidhold am Lehrstuhl für Politische Theorie und Ideengeschichte der WiSo-Fakultät. Wir sprachen mit dem ILIAS-Erfinder darüber, wie eine Idee die Welt verändern kann, welche Beziehung er heute zu seinem Projekt hat und wie wichtig es ist, ausgetretene Pfade zu verlassen um seinen eigenen Weg zu gehen.

Lieber Herr Leidhold,
öffentliche Wirtschaftsförderungsgesellschaften sprechen oft von „heimlichen Stars“, um auf versteckte Weltmarktführer in ihrem Bezirk hinzuweisen. Wenn Wir auf „ILIAS“ blicken, fühlen Sie sich auch manchmal als „heimlicher Star“?

Wolfgang Leidhold: Innovationen machen mir einfach Freude, und es freut mich daher auch, dass ILIAS zu einem Erfolg im Weltmarkt wurde. Macht mich das zu einem "heimlichen Star"? Ich finde es am besten, wenn andere dies beurteilen.

Sie haben ILIAS in den Jahren 1997/98 am Lehrstuhl für Politische Theorie und Ideengeschichte entwickelt. Wie kam es dazu? Wie sind Sie als Politikwissenschaftler zur Entwicklung eines komplexen Softwareprojekts gekommen?

Wolfgang Leidhold: Mir ging es darum, internet-basierte Software für den Einsatz in der Lehre zu entwickeln, und vor allem darum, dies aus Sicht der Anwender zu tun. Meine Leitfragen waren: Wie macht man das für die Universität passend? Und: Wie gewinnt man die Mitwirkung der akademischen Community? Mein Team und ich starteten mit einem Organisationsmodell und einer technischen Vision. Und dann haben wir versucht, beides unter einen Hut zu bringen.

Können Sie uns den Entwicklungsprozess beschreiben? Was war besonders wichtig, wer war an dem Projekt beteiligt?

Wolfgang Leidhold: Mitte der 90er war es gängige Praxis, solche Sachen in HTML zu bauen. Das ist extrem unflexibel. Wenn man den Inhalt ändern wollte, musste man jedes Mal im Code herumbasteln. Wir wollten stattdessen eine stabile Oberfläche und den Content on-the-fly aus einer Datenbank generieren. Das war innovativ. Wir fragten einige talentierte und enthusiastische Informatiker und die sagten: Kein Problem, das bekommen wir hin. Und sie haben es hinbekommen.

Welche Schwierigkeiten gab es und wie haben Sie diese gelöst?

Wolfgang Leidhold: Die Schwierigkeiten begannen mit der technischen Infrastruktur. Als wir anfingen, waren weltweit erst rund 6 Millionen Rechner am Netz. Eine schnelle Netzanbindung war an der Uni damals noch eine exzentrische Idee. Aber das Rechenzentrum und Net-Cologne haben uns geholfen. Softwaretechnisch, didaktisch und organisatorisch haben wir überall Neuland betreten. Solch eine Entwicklung geht nur mit einem exzellenten Team — und ich hatte das beste Team überhaupt. Alex Tödt, Mathias Kunkel und Philipp Kröpelin machten Konzept und Organisation. Alex Killing, Boris Schürmann und Claudius Weinberger programmierten. Joachim von Kiedrowski löste die didaktischen Probleme, Lorenz Gräf entwickelte Usability Tests. Alle vollbrachten Pionierleistungen.

Welche Ziele verfolgte das Projekt VIRTUS genau und wurden diese Ziele mit ILIAS, aus Ihrer Sicht, umgesetzt?

Wolfgang Leidhold: Wir haben kein starres Ziel formuliert, hatten nur eine Grundidee, und haben uns dann mit den Usern kontinuierlich ausgetauscht. Wir haben also unsere Vision vorgestellt und die User Comunity gefragt: Was haltet ihr davon? So haben wir die Software Schritt für Schritt entwickelt und ihre Akzeptanz gesichert.

Das Lernmanagementsystem wird mittlerweile in circa 71 Bildungseinrichtungen in verschiedenen Ländern eingesetzt. Hätten Sie mit einem solchen Erfolg gerechnet?

Wolfgang Leidhold: Tatsächlich ist der Erfolg noch größer. Diese 71 Institutionen sind nur die registrierten Mitglieder der ILIAS-Community. Sie wirken an der Weiterentwicklung aktiv mit. Doch ILIAS ist eine kostenfreie Open-Source-Software. Die Downloads liegen irgendwo im fünf- bis sechsstelligen Bereich. Spin-offs für Einsatz und Weiterentwicklung haben sich bis nach China verbreitet.

ILIAS wird seit 2009 vom ILIAS open source E-Learning e. V. betreut und weiterentwickelt, der aus dem Kooperationsnetzwerk ILIAS open source hervorgegangen ist. Hatten Sie bewusst eine derartige Organisationsform angestrebt und stehen Sie heute noch in Beziehung zum Verein?

Wolfgang Leidhold: Die Organisationsform hat sich aus dem Team Spirit ergeben. Wir alle dachten: Forschung und Lehre leben vom freien Austausch der Ideen. Da passt die Open Source Idee gut dazu. Der Verein ist aus dem Team hervorgegangen. Wir sind alle nach wie vor befreundet, viele kommen alljährlich zu meiner Lehrstuhl-Weihnachtsfeier, und ich kümmere mich nach wie vor um die Namensrechte von ILIAS.

zum zweiten Teil: "Verlasst die ausgetretenen Pfade!"