zum Inhalt springen

Expertenrat: Vermutlich hätte Deutschland 2020 sein Klimaziel erreicht

Expertenrat für Klimafragen bewertet erstmals Emissionsdatenschätzung des Bundesumweltamts.

Titelbild des Ersten Berichts des Expertenbeirats für Klimafragen.

Mit dem Bundesklimaschutzgesetz hat Deutschland seine Klimaziele auf sechs verbindliche jährliche Sektorziele für die Absenkung der Treibhausgasemissionen heruntergebrochen. Jeweils am 15. März des dem Berichtsjahr folgenden Jahres veröffentlicht das Umweltbundesamt die Emissionsdaten des Vorjahres. Innerhalb eines Monats nach Übersendung durch das Umweltbundesamt, so im Gesetz festgeschrieben, legt der Expertenrat für Klimafragen eine Bewertung der veröffentlichten Daten vor. Mitglied des fünfköpfigen Gremiums ist unter anderen WiSo-Professor Marc Oliver Bettzüge, Direktor des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln (EWI).

Pünktlich hat am Donnerstag, 15.April 2021 der Expertenrat seinen ersten Bericht zu den deutschen Treibhausgasemissionen vorgelegt und an Bundesumweltministerin Svenja Schulze übergeben. Damit bringt sich das im September 2020 von der Bundesregierung berufene unabhängige Gremium erstmalig in den Mechanismus ein, der das Erreichen der nationalen Klimaschutzziele sicherstellen soll. Da der Expertenrat für Klimafragen noch keine eigene Geschäftsstelle hat, wurden die Fachleute bei der Erstellung dieses ersten Berichts von einem Projektteam unterstützt, dem auch mehrere Wissenschaftler:innen des EWI angehört haben.

Laut dem Bericht lagen die berichteten Emissionswerte für alle im Bundesklimaschutzgesetz genannten Sektoren mit Ausnahme des Gebäudesektors unterhalb der jahresscharf im Gesetz vorgegebenen Zielwerte. Der frühe Zeitpunkt der Berichterstattung bedinge zwar, dass einige Datenquellen für eine möglichst genaue Ermittlung der Emissionswerte der Sektoren noch nicht vollständig oder nur als Schätzung vorliegen, entsprechend dem gesetzlichen Mechanismus wird durch die Zahlen jedoch für den Gebäudesektor die Erstellung eines Sofortprogramms ausgelöst.

Angesichts der Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie kommen hinsichtlich der Emissionswerte für das Jahr 2020 naturgemäß einige Sondereffekt zum Tragen. Daher ordnete der Expertenrat die Emissionsdaten in den einzelnen Sektoren in einer breiteren Analyse ein, auf Basis einer Trendfortschreibung der historischen Emissionsdaten für das Jahr 2020. Demnach hätte der Verkehrssektor seine im Bundes-Klimaschutzgesetz vorgegebene maximale Emissionsmenge überschritten. Alle anderen Sektoren hätten ihr jeweiliges Ziel eingehalten, auch der Gebäudesektor.

„Die nähere Beschäftigung mit der Emissionsschätzung hat gezeigt, dass die Emissionsdaten zu diesem frühen Zeitpunkt noch eine durchaus nennenswerte Unschärfe aufweisen. Zudem stellen sie angesichts der vielfältigen Sondereffekte des Jahres 2020 vermutlich nur eine Momentaufnahme dar“, kommentiert Marc Oliver Bettzüge den vorgelegten Bericht und ergänzt: „Deutschland hätte im Jahr 2020 vermutlich auch ohne die Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie sein gesamtes Klimaziel erreicht, insbesondere dank der positiven Entwicklung im größten Sektor, der Energiewirtschaft. In den anderen Sektoren allerdings wären die vom Klimaschutzgesetz vorgeschriebenen sektoralen Einzelbetrachtungen ohne die Pandemie gegebenenfalls anders ausgefallen.“ Dem gegenüber ständen bereits beschlossene Maßnahmen zum Klimaschutz, die erst im Jahr 2021 beginnen, ihre Wirkung zu entfalten, wie beispielsweise das Brennstoff-Emissionshandelsgesetz. Insgesamt sollten daher, so Bettzüge, die berichteten Emissionsdaten in einem größeren Zusammenhang statt isoliert betrachtet werden.

Die Analyse nimmt auch Bezug auf den kürzlich vom Europäischen Rat gefassten Beschluss, dass die Treibhausgasemissionen EU-weit im Jahr 2030 statt um 40 um 55 Prozent niedriger liegen sollen als im Jahr 1990 und diskutiert die möglichen Folgen für die nationalen Sektorziele in Deutschland.

Der Expertenrat für Klimafragen (ERK) ist ein unabhängiges Gremium von fünf sachverständigen Personen verschiedener Disziplinen. Er wurde im September 2020 berufen und ist beauftragt durch § 11 und § 12 Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG). Das Gremium besteht aus den fünf Mitgliedern Prof. Dr. Hans-Martin Henning (Vorsitzender), Dr. Brigitte Knopf (stellvertretende Vorsitzende), Prof. Dr. Marc Oliver Bettzüge, Prof. Dr. Thomas Heimer und Dr. Barbara Schlomann.