"Interessante Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Meinungen"
2018 fand die Veranstaltung "Cologne Model United Nations" das erste Mal in Köln statt. Die Konferenz stand unter dem spannenden Motto "Debating Democracy: Rights and Responsibilities of a Free Press”. Helena Heberer war Generalsekretärin von Cologne MUN 2018, ihre Nachfolgerin für die kommende Konferenz 2019 ist Irina Berg. Beide engagieren sich mit vollem Einsatz für Cologne MUN. Wir haben sie befragt, um was es bei "Model United Nations" geht, was sie an der Konferenz besonders schätzen und wie es 2019 weitergeht.
Interview mit Irina Berg und Helena Heberer
Frau Berg, was ist MUN?
Irina Berg: MUN steht für „Model United Nations“ und ist eine Simulation, bei der interessierten Studierenden die Arbeit der Vereinten Nationen nähergebracht wird. Diese MUNs oder auch Konferenzen dauern je nach Veranstalter meist drei bis vier Tage und bestehen aus verschiedenen Komitees, welche in ihrer Strukturierung identisch zu denen der Vereinten Nationen sind. In diesen Komitees werden während der gesamten Konferenz spezifische Themen behandelt. Meist sind es zwei, um den Themenbereich ein wenig einzugrenzen und eine gute Vorbereitung zu ermöglich. Die Teilnehmenden erhalten vor Beginn einen Study Guide, der beide Themen kurz anreißt und eine grobe Vorstellung von der Materie vermittelt. Anhand des Study Guides und der selbst betriebenen Recherche müssen die Teilnehmenden vor Beginn der eigentlichen Konferenz ein Position Paper verfassen, das/welches den Standpunkt des jeweiligen Landes, das dem Teilnehmenden zuvor zugeteilt wurde, darlegt.
Je nach Komitee ist das Ziel, am Ende der Konferenz eine Resolution zu verabschieden, in der verschiedene Lösungsvorschläge zu einzelnen Problempunkten unterbreitet werden.
Weshalb ist es für Teilnehmer/innen lohnend?
Irina Berg: Die Teilnahme an einer Konferenz hat viele Vorzüge. Meine ganz persönliche Motivation, und ich denke auch die Motivation vieler anderer Teilnehmender, war es in erster Linie die Fähigkeit zu erlangen, sich rhetorisch ansprechend vor einem großen Publikum auszudrücken. Dadurch, dass die Konferenzen überwiegend auf Englisch stattfinden, verbessert man durch eine regelmäßige Teilnahme seine Englischkenntnisse immens.
Die schriftliche Ausarbeitung der Position Papers und Resolutionen trägt zudem nicht unwesentlich zur Argumentations- und Ausdrucksfähigkeit der Teilnehmenden bei. Neben den akademischen Aspekten ist auch die zwischenmenschliche Interaktion mit Studierenden aus aller Welt besonders spannend. Man lernt viele verschiedene und interessante Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Meinungen kennen. Dadurch kann man sich ein großes Netzwerk schaffen und seinen Horizont unglaublich erweitern.
Meine ganz persönliche Motivation, und ich denke auch die Motivation vieler anderer Teilnehmender, war es in erster Linie die Fähigkeit zu erlangen, sich rhetorisch ansprechend vor einem großen Publikum auszudrücken.
Kann jeder Interessierte teilnehmen, oder wer genau ist eingeladen?
Irina Berg: Grundsätzlich sind Studierende aller Universitäten und Fachrichtungen zur Teilnahme an unserer Konferenz eingeladen. Zuvor muss jedoch eine Bewerbung eingereicht werden, anhand derer wir die Delegierten auswählen und ihren Komitees und Ländern zuweisen. Die Bewerbung an sich stellt in der Regel keine große Hürde dar.
Bildergalerie "Model United Nations"
Frau Heberer, 2018 fand das erste Mal MUN in Köln statt. Sie waren im Planungsteam der Veranstaltung. Wie ist Ihr Fazit zur Konferenz?
Helena Heberer: Ich bin total überrascht, wie gut alles gegangen ist. Weil es das erste Mal war, habe ich damit gerechnet, dass die ganze Zeit irgendetwas schief läuft. Aber ich glaube, gerade weil es das erste Mal war, haben wir uns unheimlich viele Gedanken gemacht. Das Team hat alles detailliert und minutiös geplant, das hat sich bezahlt gemacht. Außer ein paar kleinen Krisen, ist nichts besonders schief gegangen.
Gab es bestimmte Besonderheiten der Konferenz? Und was hat Ihnen besonders gut gefallen?
Helena Heberer: Wir hatten einige Besonderheiten bei unserer ersten Konferenz. Eine davon war unsere Konferenzpresse. Einige der Studierenden haben als Reporter teilgenommen. Die Reporter sitzen in den Komitees und schreiben Artikel über alles was passiert – Kontroversen, Streitigkeiten, Kompromisse. Außerdem waren sie beauftragt Fakten zu checken und die Inhalte der Debatte in den größeren Kontext einzuordnen. Sie haben Pressekonferenzen gehalten und den Teilnehmenden harte Fragen gestellt. Wir wollten, dass unsere Reporter die Delegierten zur Rechenschaft ziehen, so wie das eine freie Presse tun sollte.
Auch das akademische Niveau war hoch. Die Komitees haben wirklich gute Resolutionen zu den Themen verabschiedet, an denen die UN sich teilweise seit Jahrzehnten die Zähne ausbeißt. Das ist das Schöne an Model UN, wir können weiter gehen als die echte UN das kann, kreativ sein und neue Vorschläge machen. Natürlich sind die Lösungen nicht alle umsetzbar, aber darum geht es meiner Meinung nach auch nicht primär. Die Diskussion ist das Wichtigste. Wir wachsen intellektuell ja nur, wenn wir unsere Ideen an anderen ausprobieren können.
Wir hatten an jedem Abend ein Social Event und haben dabei, mit voller Absicht, tief in die Kölner Klischeekiste gegriffen. Wir haben eine Brauhaustour und eine Karnevalsparty veranstaltet. Es war richtig schön, den internationalen Teilnehmenden unsere Kultur zu zeigen und dabei selbst Köln ein bisschen besser kennenzulernen. Letztlich war es unser Team, das die Konferenz zu so einem schönen Erlebnis gemacht hat. Alle haben unheimlich viel Zeit, Mühe und Herzblut investiert, ohne dafür eine Gegenleistung zu erwarten. Wir haben uns gegenseitig alle sehr gern, es sind Freundschaften entstanden. Die Liebe fühlt man.
Die Diskussion ist das Wichtigste. Wir wachsen intellektuell ja nur, wenn wir unsere Ideen an anderen ausprobieren können.
Was waren für Sie persönlich Momente der Konferenz, die Sie beeindruckt haben?
Helena Heberer: Eines unserer Komitees wurde von einer Israelin und einem Iraner zusammen geleitet. Das an sich fand ich schon spannend. Aber noch dazu war eines der Themen des Komitees der Status von Jerusalem. Da war ich im Vorfeld schon ein bisschen besorgt, dass das während der Konferenz zu einer aufgeladenen Situation führen kann. Aber das Gegenteil ist passiert. Ich fand es wunderschön zu sehen, wie diese beiden, die jeweils aus Ländern kommen, zwischen denen so eine Spannung herrscht, sich total gut verstanden haben. Dann kam da noch dieses kontroverse, auch oft emotionale Thema dazu, und dennoch hatten alle Spaß an der Debatte. Das ist es auch, was ich besonders schön finde an Model UN. Man lernt Menschen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen kennen, kann sich austauschen und mit fremden Standpunkten auseinandersetzen.
Sehr beeindruckt war ich außerdem von unseren Gastrednern auf der Eröffnungsveranstaltung. Wir hatten Golineh Atai eingeladen, die ehemalige Außerkorrespondentin der ARD in Moskau, und Michael Seckler von UN Regional Information Office. Frau Atai hat eine sehr spannende Rede über ihre Arbeit in Russland gehalten, besonders hinsichtlich der fortschreitenden Zensur im Land und zunehmender Diskriminierung auch gegenüber ausländischen Journalisten. Der Vortrag von Herrn Seckler handelte von den nachhaltigen Entwicklungszielen und den Kosten, auf die wir uns einstellen müssen, wenn wir nicht bald anfangen viel mehr Rücksicht auf unsere Umwelt zu nehmen. Ich finde es wichtig, dass wir uns immer wieder vor Augen halten, dass die Art und Weise, in der wir leben, nicht haltbar ist.
Wie geht es mit MUN weiter und was ist das Thema für die CologneMUN 2019?
Irina Berg: Der neue Vorstand der Cologne MUN Society e.V. hat sich vor kurzem zusammengefunden.
Wir befinden uns im Moment am Anfang der Planung und sind natürlich sehr bemüht, auch im nächsten Jahr eine spannende und akademisch anspruchsvolle Konferenz auf die Beine zu stellen. Derzeit sind wir auf der Suche nach einem engagierten und motivierten Team, um mit der eigentlichen Planung der Konferenz zu beginnen. Denn wie Helena bereits gesagt hat, ist das Team das Herzstück einer jeden guten Konferenz.
An dieser Stelle möchte ich alle interessierten Studierenden dazu einladen, sich für einen der vielen spannenden Posten zu bewerben und Teil einer einmaligen Erfahrung zu werden.
Auf eine spannende Konferenz und tolle Events kann man sich aber jetzt schon freuen!
Vielen Dank für das Interview!
Die Fragen stellte Sarah Brender.