„Ich denke, dass wir im Jahre 2050 etwa 80% erneuerbare Energiequellen haben könnten“
Prof. Dr. Wolfgang Ketter ist Direktor des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln (EWI) und hat eine Professur für Wirtschaftsinformatik inne.
In seiner Forschung beschäftigt er sich damit, wie intelligente und nachhaltige Märkte designt und geschaffen werden können und gilt als einer der weltweit führenden Experten zu „Big Data“ und „lernenden Systemen“. In Rotterdam hat Professor Ketter das Erasmus Center for Future Energy Business an der Rotterdam School of Management, Erasmus University (RSM) aufgebaut.
Herr Ketter, Sie beschäftigen sich mit nachhaltigen Energien und haben im November 2017 einen TEDx-Vortrag in Rotterdam zum Thema "Nachhaltige Energie - ohne Angst" gehalten. Welche Ängste gibt es beim Thema „nachhaltige Energie“?
Es gibt verschiedene Ängste aus der Politik/Systemsicht (zum Beispiel Versorgungssicherheit zu gewährleisten trotz Wetterabhängigkeit bei der Erzeugung durch erhöhten Anteil erneuerbarer Energie) und auch aus der Kundensicht (die Angst, Energie, insbesondere Strom werde zu teuer). Auch haben die Menschen Ängste, wie zum Beispiel die Angst vor der Verschandlung der Landschaft (z. B. überall Windräder).
Welche Herausforderungen sind zu meistern, um Energieversorgung in Zukunft noch stärker durch erneuerbare Energien abdecken zu können?
Im gleichem Maße wie wir den Anteil der erneuerbaren Energiequellen erhöhen, müssen wir die Netz- und Energiespeicher-Infrastruktur ausbauen und zusätzlich intelligente Software (Agenten) nutzen.
Halten Sie einen kompletten Umstieg auf erneuerbare Energien in der Zukunft für möglich oder utopisch?
Ich halte es für möglich. Die Frage ist nur, wann das geschieht! Ich denke, dass wir im Jahre 2050 etwa 80% erneuerbare Energiequellen haben könnten. Wann wir aber 100% haben werden, ist nur schwer vorherzusagen. Das wäre wie ein Blick in die Glaskugel.
In der Zukunft können wir auf einen Ausbau der digitalen Infrastruktur nicht verzichten.
Welche Rolle spielt die Digitalisierung für erneuerbare Energien?
Die Digitalisierung spielt eine entscheidende Rolle! In der Zukunft können wir auf einen Ausbau der digitalen Infrastruktur nicht verzichten. Hierbei spielen „smarte“ lernende Komponenten eine wichtige Rolle.
Was sind lernende Systeme und wie können sie bezüglich erneuerbarer Energien genutzt werden?
Lernende Systeme erlernen die Präferenzen der jeweiligen Entscheidungsträger (beispielsweise Mensch oder Firma) und entsprechende Ziele (z.B. Kostenminimierung) über die Zeit und können dann autonom für diese Entscheidungen treffen (z.B. Laden eines elektrischen Fahrzeugs). Dies wird z.B. deswegen wichtig, weil man in Zukunft variable Strompreise haben sollte. Durch variable Strompreise kann man Knappheit des Gutes Storm darstellen und man kann den Menschen Anreize geben, den Strom zu einem anderen Zeitpunkt zu nutzen. Da man nicht den ganzen Tag selbst die Strompreise verfolgen kann, können diese Arbeiten von sogenannten intelligenten Agenten übernommen werden.
Wir werden viel mehr auf den Einsatz von Künstlicher Intelligenz und maschinelles Lernen angewiesen sein, um die kognitive Belastung von uns Menschen nicht astronomisch zu erhöhen und Entscheidungen effizienter treffen zu können.
Wie sieht für Sie eine realistische Zukunftsvision mit überwiegend erneuerbaren Energien im Alltag konkret aus?
Wie bereits angedeutet, werden wir viel mehr auf den Einsatz von Künstlicher Intelligenz und maschinelles Lernen angewiesen sein, um die kognitive Belastung von uns Menschen nicht astronomisch zu erhöhen und Entscheidungen effizienter treffen zu können.
Warum ist es für Sie persönlich wichtig, auf erneuerbare Energien zu setzen und diese zu fördern?
Die fossilen Energieträger verursachen viel zu hohe CO2 Emissionen und schaden dem Klima erheblich. Dies kann sehr negative Auswirkungen auf unser Klima haben (s. den gerade zu Ende gegangenen Klimagipfel in Bonn). Gerade für zukünftige Generationen tragen wir die Verantwortung ihnen eine lebenswerte Erde zu hinterlassen!
Was kann jeder einzelne von uns tun, um nachhaltiger zu leben? Was tun Sie persönlich?
Den jeweiligen Stromtarif auf erneuerbare Energiequellen umstellen, elektrisch statt mit Benzin fahren (am besten ÖPNV und Fahrrad benutzen), das Haus besser isolieren und Solarzellen installieren, weniger Fleisch essen, Einkaufsbeutel mitbringen statt Plastiktüten im Laden zu kaufen, regional und saisonal einkaufen und vieles mehr.
Des Weiteren lade ich Sie ein, um an dem jährlichen Power TAC-Wettbewerb teilzunehmen oder die Plattform für Ihre Bedürfnisse anzupassen. Mit Power TAC kann man zukünftige Geschäftsmodelle und Märkte in einer risikoarmen Umgebung testen, bevor man diese Strategien in der realen Welt implementiert.
Vielen Dank für das Interview, Prof. Ketter!
Die Fragen stellte Sarah Brender.