"Mich überrascht immer wieder die breite Facette der menschlichen Motivation"
Der Wecker klingelt und Du möchtest eigentlich lieber weiterschlafen. Der Feierabend naht, aber Du hast noch viel zu tun. Wie motiviert man sich in solchen alltäglichen Situationen? Und: Wie können Unternehmen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in punkto Motivation unterstützen, so dass diese sich wohlfühlen und dadurch auch die bestmögliche Leistung erbringen können?
Timo Vogelsang ist Doktorand an der Universität zu Köln am Seminar für ABWL und Personalwirtschaftslehre. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit der Motivation im Beruf und geht unter anderem der Frage nach, wie Unternehmen positiv auf die Mitarbeiter*innenmotivation einwirken können.
Interview mit Timo Vogelsang
Herr Vogelsang, Sie beschäftigen sich mit dem Thema Motivation im Beruf. Welche Aspekte des Themas interessieren Sie besonders?
Mich interessieren besonders Einflussfaktoren auf Mitarbeitermotivation. Also: Wie kann ich die Motivation eines Mitarbeiters kurz- und vor allem langfristig beeinflussen? Warum funktionieren einige personalwirtschaftliche (HR)-Instrumente unter bestimmten Bedingungen, unter anderen aber nicht? Wie kann man generalisierbare Aussagen über Einflussfaktoren ableiten? Was gibt es für Wechselwirkungen mit anderen HR-Instrumenten oder unternehmensspezifischen Bedingungen?
Im Rahmen einer Studie haben Sie studentische Probandinnen und Probanden in einem Laborsetting arbeiten lassen. Was war die genaue Aufgabenstellung und was das Ziel dieses Experiments?
Die Probanden mussten zweimal für 30 Minuten am Computer an einer Aufgabe arbeiten. Während der Arbeitszeit hatten sie zudem die Möglichkeit, ins Internet zu gehen. Für die Arbeitszeit erhielten alle Probanden eine Grundvergütung. Außerdem wurden zufällig Probanden ausgewählt, die vor ihrer Arbeitszeit noch eine finanzielle Prämie zusätzlich erhalten haben. Andere zufällig ausgewählte Probanden erhielten eine „Freizeit-Prämie“, durch die sie früher das Experiment verlassen durften. Die Prämien wurden dabei unabhängig von der tatsächlich geleisteten Arbeit vergeben. Das Ziel dieser Studie war es, zu untersuchen, wie viele Aufgaben die Probanden unter der jeweiligen Prämie bearbeiten.
Welche Ergebnisse lieferte Ihre Studie?
Die Studie zeigt, dass die Probanden, die das Labor früher verlassen durften, mehr Aufgaben bearbeitet haben als die Probanden, die eine finanzielle Prämie erhielten. Interessanterweise kommt dieser Unterschied nicht daher, dass die Probanden schneller arbeiteten, sondern dass sie weniger Zeit im Internet verbringen. Mehr Freizeit außerhalb der Arbeit scheint also den Anreiz, Freizeit während der Arbeit zu nutzen, zu reduzieren.
Mehr Freizeit außerhalb der Arbeit scheint den Anreiz, Freizeit während der Arbeit zu nutzen, zu reduzieren.
Wie könnten Unternehmen in der Praxis Ihre Ergebnisse zur Steigerung der Mitarbeitermotivation anwenden?
Zunächst einmal zeigt sich, dass Geld nicht zwingend immer die größte Motivationssteigerung mit sich bringt. Das ist schon einmal eine wichtige Erkenntnis. Unternehmen sollten viel individueller analysieren, welches HR-Instrument motivationssteigernd wirkt. Einem Mitarbeiter mehr Freizeit für gute Leistung zu geben, wie es die US-Regierung beispielsweise schon macht, kann in vielen Berufen als zusätzliche Maßnahme funktionieren. Ich kann mir aber auch Berufe vorstellen (beispielsweise bei hoher intrinsischer Motivation), wo das vielleicht in geringerem Ausmaß der Fall sein wird.
Welche Beispiele für gelungene Mitarbeitermotivation gibt es aus der Praxis?
Eigentlich wissen wir sehr wenig darüber, was in der Praxis wirklich einen positiven Einfluss auf die Mitarbeitermotivation hat. Kaum eine Maßnahme wird zunächst für einen zufällig ausgewählten Teil der Mitarbeiter ausgerollt und dann sauber evaluiert.
Es gibt ein paar Studien dazu, dass etwa Vergleiche unter den Mitarbeitern (wie zum Beispiel die Krönung zum „Mitarbeiter des Monats“), die Motivation steigern können oder dass ein finanzieller Bonus für eine Gruppe von Mitarbeitern unter bestimmten Bedingungen einen positiven Einfluss haben kann. Bei vielem Weiteren berufen wir uns leider oft immer noch auf anekdotische Evidenzen. Ein Beispiel aus der Praxis, was gut zu meiner Studie passt: Die Deutsche Bahn hat ihren Mitarbeitern bei der letzten Tariferhöhung freigestellt, ob sie diese Erhöhung lieber in Form von Geld oder mehr Urlaubstagen haben möchten. Diese Entscheidungsfreiheit haben einige Mitarbeiter bestimmt auch mit gestiegener Motivation honoriert. Aber das ist (leider) nur ein Bauchgefühl.
Es gibt bisher erst wenige Studien in Kooperation mit Unternehmen, die den kausalen Einfluss eines HR-Instruments auf die Motivation evaluieren. Hier muss noch viel mehr getan werden!
Was war für Sie persönlich die überraschendste Erkenntnis in der Beschäftigung mit dem Thema Motivation im Beruf?
Zum einen, wie wenig wir doch eigentlich über das Thema wissen. Wie schon erwähnt: Es gibt bisher erst wenig Studien in Kooperation mit Unternehmen, die den kausalen Einfluss eines HR-Instruments auf die Motivation evaluieren. Hier muss noch viel mehr getan werden! Zum anderen überrascht mich immer wieder die breite Facette der menschlichen Motivation.
Was motiviert Sie persönlich?
Mich, so kitschig das vielleicht auch klingen mag, motiviert tatsächlich am meisten mein Interesse an den Themen, an denen ich arbeite und die Tatsache, dass wir noch nicht so viel darüber wissen. So kann man relativ kontinuierlich neue, spannende Erkenntnisse erlangen.
Vielen Dank für das Interview!
Die Fragen stellte Sarah Brender.