Das werbebasierte Einnahmenmodell für den Journalismus wird durch die Digitalisierung seit Jahren stark infrage gestellt. Die Anbieter journalistischer Inhalte setzen daher in den letzten Jahren verstärkt auf Paid-Content-Strategien.
Vielfach gleicht die Erprobung entsprechender Modelle durch die Medienunternehmen allerdings dem sprichwörtlichen Stochern im Nebel. In einer aktuellen Literaturübersicht auf der Grundlage von 37 wissenschaftlichen Artikeln identifizieren nun Christian-Mathias Wellbrock, Daniel O’Brien und Nicola Kleer der Medien- und Technologiemanagement Area der WiSo-Fakultät 17 Variablen, die die Zahlungsbereitschaft (WTP - nach englisch Willingness to pay) für digitalen Journalismus beeinflussen.
Die von den drei Forschern ausgewerteten Artikel umfassten eine Vielzahl von Variablen und Konstrukten, von denen angenommen wird, dass sie einen Einfluss auf die WTP haben. In dem in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift "Digital Journalism" erschienenen Literature Review, identifizieren und strukturieren die WiSo-Forscher die relevantesten Variablen, geben einen Überblick über ihre Auswirkungen und überprüfen die in der aktuellen Literatur verwendeten Messansätze.
Die systematische Analyse zeige, so Professor, dass es zwar eine Reihe von relevanten Faktoren gebe, welche die Bereitschaft von Nutzern für Online-Nachrichten zu zahlen beeinflussen. Die Wirkung dieser Faktoren sei jedoch oft gering oder die Erkenntnisse darüber sogar widersprüchlich.
Darüber hinaus ergab die Überprüfung, dass in der Literatur bislang nur eine begrenzte Anzahl von Faktoren und theoretischer Rahmen untersucht wurde. Persönliche und demografische nutzerbezogene Faktoren überwogen dabei. Methodisch betrachtet seien in den untersuchten Studien besonders Conjoint-Analysen, experimentelle Designs und anreizorientierte Settings im Vergleich zu direkten Erhebungen unterrepräsentiert gewesen. Explizit psychologische Bedürfnisse und Motive von potenziellen Kunden, die mit der Nachfrage nach digitalem Journalismus verbunden sind, würden in der aktuellen Forschung sonst kaum berücksichtigt.
Ergebnis: Im Allgemeinen, so zeigt die Untersuchung, gebe es zumindest in den Industrieländern einen starken, aber scheinbar langsam abnehmenden Widerstand dagegen, Geld für digitale Nachrichtenprodukte auszugeben. Zudem gebe es auch starke Hinweise darauf, dass der tatsächlich abnehmende Konsum von Nachrichteninhalten eher auf eine Zunahme von Alternativen als auf einen Rückgang des allgemeinen Interesses oder der Nachfrage zurückzuführen sei. Während Diskussionen in der Medienindustrie oft davon ausgingen, dass die Nachfrage nach Journalismus zurückgegangen ist, könnte daher ein Verständnis der Präferenzen und Einstellungen der Verbraucher und ihrer Entwicklung für das "Überleben" des Journalismus im digitalen Zeitalter von entscheidender Bedeutung sein.