Du bist gerade in Ungarn World Cup Sieger im Kickboxen geworden, hat‘s weh getan?
Ein bisschen. Aber zum Glück weniger, als wenn ich verloren hätte. Da auf dem World Cup die besten Kickboxer der Welt sind, geht es leider nie ohne Gegentreffer. Dieses Jahr habe ich es aber geschafft in der Verteidigung die allermeisten Fehler zu vermeiden.
Du stehst jetzt zum 3. Mal auf dem Siegertreppchen beim World Cup. Wie bist du zu dem Sport gekommen?
Mehr oder weniger durch Zufall. Ich habe eigentlich während meiner gesamten Kindheit und Jugend Fußball gespielt. In meinem Austauschjahr in den USA habe ich dann American Football und Basketball ausprobiert. Als ich wieder nach Köln zurückgekommen bin, wollte ich einen neuen Sport für mich finden. Deshalb habe ich einen guten Freund zu seinem Kickboxtraining begleitet und war direkt begeistert von dem Sport.
Wann hast Du bemerkt, dass Du richtig gut darin bist?
Da gab es gar nicht den einen Moment. In der WAKO qualifiziert man sich ja progressiv für immer größere Turniere. Als ich das erste Mal Landesmeister in NRW war, wollte ich mir eigentlich nur selbst beweisen, dass ich auch bei der Deutschen Meisterschaft mitkämpfen kann. Als ich das erste Mal deutscher Meister war, wollte ich mir beweisen, dass ich auch international mitkämpfen kann. Als ich die Ziele dann nach und nach umsetzen konnte, habe ich irgendwann realisiert, dass ich mich im Laufe der Zeit sehr weiterentwickelt habe und nun tatsächlich zu den Besten gehöre.
Würdest Du Dich selbst als ehrgeizig beschreiben?
Auf jeden Fall. Ich denke insbesondere im Kampfsport braucht man einen ausgeprägten Siegeswillen, um sich der Belastung im Training und im Wettkampf stellen zu wollen.
Du hast als Absolvent der Uni Köln den Royal Statistical Society Prize gewonnen. Diesen hast du allerdings für deinen Master in Statistik an der London School of Economics (LSE) erhalten. Wie bist Du an die LSE gekommen?
In meinem Bachelorstudium hatte ich von der LSE als renommierte und sehr internationale Universität für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften gehört. Das hat mich total gereizt und ich wollte unbedingt dort studieren. Zuerst hatte ich geplant meinen Master in Economics an der LSE zu machen. Während meines „Gap Years“ konnte ich dann meine Arbeit am Lehrstuhl von Prof. Ockenfels mit der Arbeit bei einer Strategieberatung und einer ökonomischen Beratung vergleichen. Da habe ich gemerkt, dass ich erst mal selbst forschen möchte. Da mich in der Forschung viele empirische Studien interessierten, wollte ich mir mit einem Master in Statistik das Toolkit aneignen, was ich für diesen Bereich brauchte. Durch die Stipendien der Studienstiftung des deutschen Volkes und des DAADs war es mir dann auch möglich mein Studium an der LSE zu finanzieren. Das ich dann auch an einer so renommierten Institution für meine akademischen Leistungen ausgezeichnet wurde, hat mich dann natürlich besonders gefreut.
Du hast nach deinem Master in Statistik noch einen Master in Economics in Köln gemacht, wo siehst Du Unterschiede zwischen Köln und London bzw. der Uni Köln und der LSE?
London bietet natürlich alle Vorteile einer Weltstadt. Man lebt in einer Stadt mit Leuten aus allen Teilen der Erde. Dadurch habe ich unglaublich interessante Menschen kennengelernt. Außerdem gibt es immer ein neues Restaurant, ein neues Event oder einen neuen Ort zu erkunden, weil die Stadt nicht schläft und so groß ist.
Köln ist natürlich etwas überschaubarer und familiärer. Es hat diese Positivität und Lebensfreude und ist für mich der perfekte Kompromiss aus Großstadt und Vertrautheit. Ich muss sagen, dass ich als Ur-Kölner auch etwas voreingenommen bin. Köln ist für mich einfach meine Heimat.
Am Studium an der LSE habe ich die individuelle Betreuung geschätzt. Es gab keine Kurse in denen ein Lehrender für mehr als 20 Personen zuständig war oder irgendwann keine Zeit hatte Fragen zu beantworten. Außerdem waren meine Kommiliton:innen alle sehr beeindruckende Persönlichkeiten, die viel erlebt und erreicht hatten.
An der Uni Köln wiederum mochte ich, wie viel Wahlmöglichkeiten man hatte. Durch diese Freiräume konnte ich mein Studium so gestalten, dass es genau zu mir gepasst hat.
Jetzt promovierst du bei Prof. Dr. Ockenfels, zu welchem Thema?
Ich befasse mich hauptsächlich damit, wie man Märkte und Mechanismen möglichst gut gestaltet. Das beinhaltet die Interaktion verschiedener Expert:innen, aber auch die Interaktionen von Expert:innen und künstlicher Intelligenz. Ich untersuche zum Beispiel empirisch, ob Menschen, die sich vor einer möglichen Operation eine Zweitmeinung von einem anderen Arzt einholen, bessere Gesundheitsverläufe haben als vergleichbare Menschen, die das nicht tun. In einem anderen Projekt untersuche ich dann wiederum auch, ob man mithilfe maschinellen Lernens die Ergebnisse von Mixed Martial Arts Kämpfen besser vorhersagen kann als Wettbüros und -anbieter.
Fällt es Dir schwer den Leistungssport und die Arbeit sprichwörtlich unter einen Hut zu bringen?
Man muss auf jeden Fall vorausschauend planen. Dann klappt es aber eigentlich immer, die Belastung durch Arbeit und Sport so zu steuern, dass nicht gleichzeitig das Allerwichtigste anfällt. Da ich beides ja sehr gerne mache, gehe ich aber auch gerne die notwendigen Kompromisse ein, damit beides passt.
Was planst Du nach der Promotion?
Da habe ich noch keinen genauen Plan. Ich könnte mir gut vorstellen nach meiner Promotion weiter in der Forschung zu bleiben. Es wäre aber auch cool einige der entwickelten Fähigkeiten oder Erkenntnisse in der Privatwirtschaft umzusetzen. Die Entscheidung lasse ich auf mich zukommen.
Gibt es Fähigkeiten aus dem Kickboxen, die Dir in Deinem Arbeitsalltag weiterhelfen und umgekehrt?
Aus dem Kickboxen habe ich mitgenommen, wie man gut mit Rückschlägen umgeht und seine Ziele hartnäckig verfolgt und umsetzt. Das hilft auch in der Forschung. In der Promotion werden die analytischen Fähigkeiten sehr geschult. Das hilft einerseits damit einen guten Trainingsplan zu erstellen und sich auf jeden Gegner separat einzustellen. Andererseits hilft die Fähigkeit unter Stress schnell und gut denken zu können, Finten und Täuschungsmanöver meiner Gegner direkt zu entschlüsseln und mein Verhalten auch auf überraschende Taktikänderungen flexibel anzupassen. Es klingt zwar wie ein Klischee, aber Kämpfe werden tatsächlich zu 90 % im Kopf gewonnen. Das ist auch genau das, was mich am Kickboxen reizt.
Du kennst ja den Slogan der WiSo „Today’s ideas. Tomorrow’s impact. “. Wo siehst Du Deinen „Tomorrow’s impact”?
Ich wünsche mir, dass meine Forschung dazu beitragen kann, Märkte und Mechanismen besser zu verstehen, um so qualifiziertere Entscheidungen zu treffen, zum Beispiel in der Gesundheitsvorsorge. Dass ich dann auch dazu beitragen kann, diese Erkenntnisse in der Realität umzusetzen, wäre der Impact, den ich mir wünschen würde.
In Bezug auf Kickboxen hoffe ich, dass ich dazu beitragen kann, unseren Sport weiterzuentwickeln und als einer unserer zwei Athletensprecher dazu beitragen, unseren Verband zu verbessern. D.h. Vereine in der Jugend- und Integrationsarbeit zu unterstützen und für alle Athlet:innen bessere Bedingungen bei der Ausübung Ihrer Leidenschaft zu schaffen.
Das Interview führte Mhiara Mühlbauer.
Foto Credits: Lorraine Hoffmann