zum Inhalt springen

Weniger Verzerrungen - weniger Verschwendung

Acht Prozent mehr Profit durch Beseitigung von Verzerrungen.

Regale gefüllt mit Brotlaiben

© summa von pixabay.com

Entscheidungsträger:innen, die mit verderblichen Waren handeln, treffen häufig nicht optimale Entscheidungen, was ihre eigenen Bestellungen angeht. Ein Team mit WiSo-Professor Ulrich Thonemann hat dahinter stehende systematische Verzerrungen erstmals empirisch untersucht.

Wer mit verderblichen Waren handelt, steht vor der besonderen Herausforderung, dass sein Lagerbestand über Kurz oder Lang wertlos wird. Welche Mengen eines Produkts müssen bestellt bzw. produziert werden, um ein bestimmtes Service-Level für die Kund:innen zu erreichen und zugleich Überbestände zu verhindern und das Ganze nur in den seltensten Fällen bei einer stets konstant bleibenden Nachfrage.

In den Wirtschaftswissenschaften ist dieses Dilemma als ein klassisches Problem im Operationsmanagement bekannt und als „Zeitungsjungenmodell“ vielfach beforscht. Experimentell konnte beispielsweise nachgewiesen werden, dass Entscheidungsträger:innen nur selten die optimalen Entscheidungen treffen, die das Modell voraussagt. Versuchspersonen reagierten stattdessen meist übermäßig auf die aktuelle Nachfrage und ihre Bestellmengen verschoben sich in Richtung der durchschnittlichen Nachfrage, auch in weniger nachfragestarken Zeiten. Wissenschaftlich gesprochen: Es kommt zu Verzerrungen hinsichtlich der Verhaltensprognosen bezogen auf die Kund:innen und hinsichtlich der Minimierung von Bestandsfehlern, die dazu führen, dass ein angestrebtes Service Level zwar effektiv erreicht wird, allerdings nicht effizient. Die Kosten zur Erreichung des angestrebten Service-Levels sind entsprechend höher, als sie sein müssten.

Ob diese Verzerrungen auch in der Praxis existieren, hat nun ein Team mit Wiso-Professor Ulrich W. Thonemann analytisch untersucht, anhand von Bestellungen eines Backwarenherstellers, der euopaweit große Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen beliefert. In ihrer Studie fanden Anna-Lena Sachs, Michael Becker-Peth, Stefan Minner, und Ulrich Thonemann heraus, dass die Hersteller:innen im Großen und Ganzen den gleichen Verzerrungen unterlagen, wie die Versuchspersonen im Labor. Die Effekte gelten mithin auch in einem Multiprodukt-Setting mit einem aggregierten Service-Level Niveau.

Darüber hinaus entdeckten Professor Thonemann und seine Kolleg:innen eine weitere Verzerrung, die im Experiment bislang unentdeckt geblieben war und die sie als Gruppenaggregation bezeichnen. Das Serviceniveau werde dabei seitens des Herstellers nicht für einzelne Produkte, sondern für Produktgruppen optimiert. Dies vereinfache zwar den Bestellprozesses, schade aber der Effizienz, so die Wissenschaftler:innen.

Insgesamt ergab sich aus den verschiedenen Verzerrungen eine Effizienzlücke, die zu 0,1 % aus Fehlern der Minimierung von Bestandsfehlern, zu 2,5 % aus fehlerhaften Verhaltensprognosen und zu 5,2 % aus der Gruppenaggregation entsteht. Die Ergebnisse der Studie zeigen mithin, dass die Beseitigung dieser Verhaltensfehler den Betriebsgewinn um rund 8 % steigern kann. Handelt es sich bei den „verderblichen“ Produkten um Lebensmittel, ein beträchtlicher Beitrag zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung.