Das eine Set von Skills, das Hochschulabsolvent:innen benötigen, um beruflich Erfolg zu haben, gibt es nicht. Die Gewichtung der Soft-Skills, die Arbeitnehmer:innen auf dem Arbeitsmarkt benötigen, unterscheidet sich vielmehr je nach dem Tätigkeitsbereich und dessen speziellen Anforderungen. Um die jeweiligen karrierelevanten Skills zu erkennen ist also ein differenzierter Blick nötig. Mit einem solchen Blick hat nun WiSo-Wissenschaftlerin Dr. Emilia Kmiotek-Meier vom Institut für Soziologie und Sozialpsychologe (ISS) der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln die Qualifikationen auf dem Arbeitsmarkt für Hochschulabsolvent:innen in Deutschland untersucht.
Für ihre aktuelle, gemeinsam mit ihren Kolleg:innen Tonia Rossié und Konstantin Canora durchgeführte Studie hat sie drei Bereiche definiert: „Das Mittelfeld“ (The middle field), zu dem hauptsächlich Berufe aus dem privatwirtschaftlichen Bereich ohne spezielle Zuordnung gehören; „die Welt der Regeln“ (The world of rules), ein eher hierarchisch gegliederter Bereich, etwa mit juristischen und medizinischen Professionen; und den „menschenorientierten und kritischen Markt“ (The people-oriented and critical market), zu dem unter anderem die Arbeit für NGOs gehört. Die Studie „All good things come in threes – Required skill sets in the graduate labour market in Germany“ wurde im Auftrag des ProfessionalCenter der Universität zu Köln durchgeführt und ist jetzt in der Fachzeitschrift Education + Training erschienen.
Dass in unterschiedlichen Bereichen des Arbeitsmarkts neben konkreten Fähigkeiten und Fachwissen unterschiedliche Skill-Sets erforderlich sind, erscheint offensichtlich – besonders in Anbetracht der immer komplexer werdenden Anforderungen vieler Tätigkeiten. Dennoch wurde dieser Aspekt den Autor:innen zufolge in Untersuchungen oft vernachlässigt. Zudem lag der Fokus früherer Studien eher auf den Anforderungen der Arbeitgeberseite und vernachlässigte die Arbeitnehmersicht. „Unsere Untersuchung bringt beide Perspektiven aus unterschiedlichen Bereichen zusammen. Im Ergebnis lässt sich sagen: Es gibt kein universelles Skill-Set, das auf dem Arbeitsmarkt zum Erfolg führt“, resümiert Emilia Kmiotek-Meier.
In der Forschung ist der Nutzen von Soft-Skills – neben Fachwissen und erforderlichen berufsspezifischen Fähigkeiten – allgemein anerkannt. Dazu gehören etwa Kommunikation, Entscheidungsfreudigkeit, wertebasiertes Handeln oder Kreativität. Emilia Kmiotek-Meier, Konstatin Canora und Tonia Rossié gehen davon aus, dass sich besonders bei Jobs, die einen Hochschulabschluss voraussetzen, die Gewichtung der Soft-Skills je nach Bereich stark unterscheiden.
In ihrer aktuellen Studie haben sie diesen Aspekt genauer untersucht. Das Forschungsteam befragte 26 Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen aus dem Kölner Raum. Die Daten wurden in qualitativen Leitfadeninterviews mit offenen Nachfragen gesammelt, die zwischen November 2019 und Juli 2020 geführt wurden. Die Relevanz der auf dem Arbeitsmarkt geforderten Soft- und Hard Skills wurde durch einen in das Interview integrierten Sortiervorgang erfasst. Anhand ihrer Sortierungen wurden die Interviewpartner:innen geclustert. Die Interviewpartner:innen erläuterten im Nachgang ihre Einordnung. Diese Methode entstammt der sogenannten Q-Methodologie.
Im Ergebnis zeigte sich folgendes Bild: Im ersten Bereich, dem sogenannten „Mittelfeld“, spielt der akademische Abschluss (BA, MA oder Doktor) sowie die Abschlussnote eine untergeordnete Rolle. Der Fokus liegt in diesem Bereich besonders auf den Soft-Skills . Wichtig ist zum Beispiel, dass Arbeitnehmer:innen die eigenen Gedanken klar ausdrücken können, mit unterschiedlichen Gesprächspartner:innen (Vorgesetzte, Kolleg:innen, Kund:innen) adäquat kommunizieren und mit Kritik umgehen können. Die für die Jobs notwendigen Fähigkeiten können im Rahmen der Tätigkeit erworben werden.
Im Bereich „die Welt der Regeln“ werden Fachkenntnisse und formelle Abschlüsse als relevanter bewertet als in den anderen beiden Bereichen, da sie in den Zielbereichen, zum Beispiel im Hochschulbereich oder in der Medizin entscheidend für die Berufsausübung sind. Hier sind Karrierepfade weitgehend vorgezeichnet und es herrschen klar definierte Zugangskriterien. Außerdem ist die Bereitschaft zu lernen wichtig, da Fachwissen schnell veraltet sein kann. Auch die adäquate Kommunikation mit unterschiedlichen Zielgruppen (Vorgesetzte, Kolleg:innen und Laien) sind wichtig.
Der „menschenorientierte und kritische Markt“ ist besonders werteorientiert. Hier rangiert der Stellenwert von Fachwissen zwischen den beiden anderen Bereichen. Berufe in diesem Bereich setzen eine gewisse Einstellung voraus und betonen soziale Verantwortung, Respekt gegenüber anderen und persönliche Entwicklung. Zudem sind Offenheit gegenüber neuen Ideen und die Fähigkeit, kritisch zu denken wichtig.
In der Zusammenfassung der Ergebnisse weist Emilia Kmiotek-Meier noch auf einen weiteren Aspekt hin: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass nicht nur bestimmte Fähigkeiten zu einem guten ‚Match‘ zwischen Arbeitgeber:in und Arbeitnehmer:in führen. Verstärkt sollten Absolvent:innen bei der Karrierewahl auch darauf achten, welche Werte oder Einstellungen im ‚Traumjob‘ überwiegen und ob sich diese mit den eigenen Werten und Vorstellungen vereinbaren lassen.“