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Mehr Sinn, weniger Glück? Von Elternschaft und gutem Leben

DSS-Studie zeigt, warum gute Rahmenbedingungen für Eltern wichtig sind.

Lächelnde Eltern lesen ein Buch mit ihren beiden kleinen Kindern auf dem Boden in einem hellen Wohnzimmer

Eltern sind nicht zufriedener, aber empfinden mehr Lebenssinn als Kinderlose, das ist das zentrale Ergebnis einer Studie von Dr. Ansgar Hudde und Prof. Dr. Marita Jacob vom Department für Soziologie und Sozialpsychologie der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln. Die repräsentative Studie mit Daten aus dreißig europäischen Ländern zeigt, dass besonders Frauen mit niedrigem sozioökonomischem Status mit ihrem Leben weniger zufrieden sind als kinderlose Frauen in gleicher sozialer Lage. In den nordeuropäischen Ländern geht Elternschaft mit den höchsten Werten an Zufriedenheit und Sinn einher. Die Untersuchung ist unter dem Titel „Parenthood in Europe: Not More Life Satisfaction, but More Meaning in Life“ in der Fachzeitschrift Journal of Marriage and Family veröffentlicht.

Ansgar Hudde und Marita Jacob untersuchten zwei zentrale Komponenten des Wohlbefindens bei Erwachsenen mit und ohne Kinder: Lebenszufriedenheit und Sinn im Leben. Die Analyse basiert auf Daten von über 43.000 Teilnehmenden aus dreißig Ländern, die im Rahmen des European Social Survey regelmäßig befragt werden. Sie bewerteten unter anderem, wie zufrieden sie insgesamt aktuell mit ihrem Leben sind und ob sie ihre Lebensinhalte im Allgemeinen als wertvoll und lohnend ansehen. „Die bisherigen Debatten über Elternschaft haben sich zu sehr auf Glück und Zufriedenheit konzentriert“, sagt Dr. Hudde. „Unsere Studie zeigt: Wer Kinder hat, lebt nicht automatisch zufriedener – aber häufiger mit dem Gefühl, dass das eigene Leben sinnvoll und wertvoll ist.“

Die Studie zeigte zudem, dass der Zusammenhang zwischen Elternschaft und Lebenszufriedenheit je nach sozialen Umständen und nationalem Kontext variiert. Wer zufriedener ist – Eltern oder Kinderlose – unterscheidet sich somit nach Geschlecht und soziökonomischem Status. Betrachtet man etwa Frauen mit niedrigem sozioökonomischem Status, sind diejenigen mit Kindern weniger zufrieden als die ohne Kinder in gleicher sozialer Lage. Bei Frauen mit höherem sozioökonomischem Status sowie bei Männern insgesamt sind die Unterschiede zwischen denen mit und ohne Kinder dagegen gering. Die Beziehung zwischen Elternschaft und Sinn im Leben ist jedoch über sozioökonomische Gruppen und nationale Kontexte hinweg ähnlich: Wer Kinder hat, empfindet sein Leben im Schnitt als sinnvoller und wertvoller.

Dennoch ist Elternschaft nicht zwangsläufig ein „Trade-Off“ zwischen weniger Zufriedenheit und mehr Sinn im Leben. Das zeigt der Vergleich zwischen europäischen Regionen. Unter bestimmten Bedingungen, wie beispielsweise dem kulturellen und politischen Kontext der nordischen Länder, ist Elternschaft sowohl mit einer höheren Lebenszufriedenheit als auch mit Lebenssinn verbunden, zwei Schlüsselkomponenten eines guten Lebens.

„Die Ergebnisse zeigen, dass gute Rahmenbedingungen beides ermöglichen können: Sinn und Zufriedenheit“, sagt Hudde. „Ende der 2000er Jahre haben international viele Beobachter gestaunt, wie sehr sich die deutsche Familienpolitik nach vorne bewegt hat – mit Kita-Ausbau und Elterngeld nach skandinavischem Vorbild. Von diesem Schwung ist aber heute kaum noch etwas zu spüren. Auch heute braucht es wieder neue Initiativen, um Familien besser zeitlich zu entlasten und finanziell zu unterstützen.“

Die beiden Soziolog:innen arbeiten derzeit an weiteren Analysen zum Zusammenhang zwischen Elternschaft, Zufriedenheit und empfundenem Sinn. Ein weiteres Ergebnis aus laufender Arbeit zeigt: Der Effekt von Elternschaft zeigt sich nicht nur im Vergleich von Menschen mit und ohne Kinder, sondern auch im Vorher-Nachher-Vergleich. Zur Geburt des ersten Kindes steigt die Lebenszufriedenheit – sinkt aber schnell wieder. Der empfundene Sinn im Leben bleibt dagegen dauerhaft erhöht.

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