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Kinder und das Trennungsrisiko

WiSo-Prof. Thomas Leopold zu Scheidungsraten.

sinnierendes Kind mit Teddybär in einem Anwaltsbüro. In Hintergrund zwei streitende Elternteile.

Neuer Beitrag in der ISS-Serie "Wussten Sie schon, dass...?"

In den letzten Jahrzehnten sind die Scheidungsraten weltweit gestiegen. Eine scheinbar offensichtliche Folge der steigenden Scheidungsraten ist, dass mehr Kinder die Trennung ihrer Eltern erleben.

Dass dies nicht unbedingt der Fall ist, zeigt eine Studie von WiSo-Professor Thomas Leopold (Institut für Soziologie und Sozialpsychologie (ISS)) und seinem niederländischen Kollegen Matthijs Kalmijn. Die Studie analysierte Daten aus dem Generations and Gender Programme, die Informationen über die Lebensläufe von mehr als 100.000 Europäern enthält.

Die Ergebnisse zeigen, dass das Trennungsrisiko bei kinderlosen Paaren stärker zugenommen hat als bei Paaren mit Kindern. Dadurch ist das Trennungsrisiko – aus Sicht der Kinder betrachtet – geringer als das Trennungsrisiko aus Paarperspektive. Der Unterschied zwischen beiden Perspektiven ist bei den höher gebildeten Paaren besonders groß: Auch hier sind die Trennungsraten angestiegen, aber dieser Anstieg konzentriert sich fast ausschließlich auf kinderlose Paare. Für Kinder höher gebildeter Eltern ist das Risiko der elterlichen Trennung deshalb nur geringfügig oder gar nicht gestiegen. Bei Paaren mit niedrigerem Bildungsstand sind die Trennungsraten bei den Kinderlosen, aber auch bei den Eltern sprunghaft angestiegen. Kinder bildungsferner Eltern haben somit ein deutlich höheres Risiko, eine elterliche Trennung zu erleben.

Insgesamt stützen diese Ergebnisse zwei Schlussfolgerungen: Erstens können Trends bei den Scheidungsraten sehr unterschiedlich aussehen, je nachdem, ob wir sie aus der Paarperspektive oder aus der Perspektive der Kinder dieser Paare betrachten. Zweitens hat der Trend steigender Scheidungsraten die soziale Ungleichheit in den Lebenschancen von Kindern verschärft: Insbesondere Kinder von Eltern mit niedrigerem Bildungsstand sind betroffen.