Die Ergebnisse der Midterm-Wahlen in den USA waren mit Spannung erwartet worden. Die US-Amerikaner haben einen Teil des Senats, das gesamte Repräsentantenhaus und eine Reihe von Gouverneuren neu gewählt. Prof. Dr. Thomas Jäger vom Lehrstuhl für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln analysiert im folgenden Interview die Ergebnisse der Midterms, beantwortet Fragen zum kurz nach der Wahl folgenden Rücktritt des bisherigen amerikanischen Justizministers Jeff Sessions und mögliche Folgen für die Russlandermittlungen. Außerdem nimmt er Stellung zum Eklat bei der Pressekonferenz im Weißen Haus, nach der dem CNN-Reporter Jim Acosta die Akkreditierung entzogen wurde.
Interview mit Professor Thomas Jäger:
Professor Jäger, was bedeutet das Ergebnis der Midterms für die politischen Machtverhältnisse in den USA?
Das politische System der USA ist auf Machtteilung angelegt, weshalb in den letzten zwei Jahren eine eher ungewöhnliche Lage bestand, indem der Präsident und beide Kammern des Kongresses von einer Partei gestellt wurden, die auch noch die Mehrheit der Richter im Supreme Court hinter sich wissen. Die aus den Wahlen hervorgegangene Mehrheit der Demokraten im Repräsentantenhaus – einer von zwei Kammern des Kongresses – führt die USA wieder in Richtung Machtteilung und –verschränkung. Denn ohne Zustimmung des Repräsentantenhauses kann kein Gesetz verabschiedet werden – und das heißt ab Januar, dass die Demokraten zustimmen müssen. Allerdings sind in der neuen demokratischen Fraktion sehr unterschiedliche politische Richtungen verbunden, von linken Abgeordneten aus den Metropolen bis zu deutlich konservativen aus den ländlichen Gegenden.
Ob es den Demokraten gelingt, aus dieser Heterogenität eine politisch handlungsfähige Fraktion zu formen, bleibt abzuwarten. Die Mehrheit der Demokraten wird nicht allzu groß ausfallen, beim derzeitigen Stand der Auszählung sind es sieben Stimmen (wobei zehn Mandate noch nicht vergeben sind). Denn alle Abgeordneten denken von Beginn an zwei Jahre voraus, weil sie 2020 wiedergewählt werden wollen. Das schränkt ihren Handlungsspielraum zwischen Anforderungen der Fraktion und den Forderungen ihrer Wähler in den Bundesstaaten ein. Gut möglich, dass einige Abgeordnete ab und an deshalb mit der viel homogeneren Fraktion der Republikaner stimmen werden.
Welche Möglichkeiten haben die Demokraten nun durch die neu erlangte Mehrheit im Repräsentantenhaus?
Neben der Beteiligung an der Gesetzgebung gibt vor allem die Verabschiedung des Haushalts den Demokraten die Möglichkeit, Einfluss auf die Politik der nächsten zwei Jahre zu nehmen. Zudem unterliegt die Administration Trump nun erstmals einer parlamentarischen Kontrolle. Denn die Mehrheitsfraktion stellt in den USA alle Ausschussvorsitzenden und die haben erheblichen Einfluss darauf, welche Themen in welcher Schärfe und Dringlichkeit behandelt werden. Das hat die Regierung Trump bisher beschirmt, weil von den republikanischen Vorsitzenden der Ausschüsse wenig Kontrolle aufgebaut wurde. Im Gegenteil. Sie waren eher der verlängerte Arm der Regierung und ließen sich von ihr informieren statt sie zu kontrollieren. Das wird sich ändern, es sei denn, Trump und die demokratische Führung vereinbaren politischen Einfluss gegen Zurückhaltung bei den Untersuchungen von Trumps diversen Aktivitäten. Den Vorschlag hat der Präsident schon gemacht, jetzt muss sich zeigen, wie die Demokraten darauf reagieren.
Was sind wichtige Fragen, in denen Republikaner und Demokraten unterschiedlicher Meinung sind, bei denen diese neue Mehrheit der Demokraten für Trump Schwierigkeiten mit sich bringen könnte?
Ganz oben stehen gesundheits- und einwanderungspolitische Themen. Es gelang den Republikanern ja nicht, Obamacare abzuschaffen, obwohl sie die parlamentarischen Mehrheiten hatten. Aber die Strafen für Nicht-Versicherung konnten sie streichen. Das hat die Prämien erhöht und die Reform von Obamacare, die auch von den Demokraten gesehen wird, steht an. Nur wollen beide Seiten in unterschiedliche Richtungen. Für Trump ist der Bau der Mauer nach Mexiko das Symbol seiner Einwanderungspolitik und hierfür braucht er Geld. Die Demokraten sind sich über ihre Einwanderungspolitik noch nicht ganz einig, aber eine deutliche Mehrheit lehnt das Projekt ab. Die größten Schwierigkeiten für Präsident Trump aber könnten daraus resultieren, dass parlamentarische Ausschüsse der Frage, wie seine wirtschaftlichen Interessen mit seinen politischen Entscheidungen kollidieren nachgehen. Oder die Fragen nach den Verbindungen zu Russland öffentlich erneut aufnehmen.
Am Tag nach den Midterm-Wahlen in den USA hat Donald Trump per Twitter den Rücktritt seines Justizministers Jeff Sessions bekannt gegeben. Wie bewerten Sie diesen Schritt sowie den Zeitpunkt dieses (in den Medien weithin als erzwungen eingeschätzten) Rücktritts?
Dieser Rücktritt war erwartet worden. Präsident Trump hatte damit nur wegen der Wahlen gewartet. Es sollte der Eindruck vermieden werden, Trump würde in die Ermittlungen zu den Verbindungen Russlands und seinem Wahlkampfteam eingreifen wollen. Schon länger hatte Justizminister Sessions allerdings keinen Zutritt mehr zum Präsidenten, weil dieser ihn nicht mehr sehen wollte. Dabei war 2015 der damalige Senator Sessions der erste politisch ranghohe Unterstützer des Kandidaten Donald Trump. Als er aber die Kompetenzen in der Untersuchung von Sonderermittler Robert Mueller abgab, weil er über Treffen mit dem russischen Botschafter falsche Angaben gemacht hatte, ließ ihn Trump fallen. Denn in Trumps Denken hat ihn sein Justizminister vor Ermittlungen zu schützen. Eben dies erwartet er von dem nun ernannten Interimsminister.
Bei der Demokratischen Partei werden nun Befürchtungen geäußert, dass ein neuer und Trump ergebenerer Justizminister die Russland-Ermittlungen des Sonderermittlers Robert Mueller gefährden könnte. Für wie realistisch halten Sie dieses Szenario?
Es bleibt abzuwarten, wie der Interims-Minister Whitaker die Kontrolle über die Sonderermittlung ausüben will. Dass genau dies vom Präsidenten erwartet wird, steht außer Zweifel. Trump will die Ermittlungen los werden. Ein paar Ideen hat Matthew Whitaker schon öffentlich geäußert, beispielsweise drastische Budgetkürzungen. Wahrscheinlich ist, dass eine Reihe solcher Maßnahmen umgesetzt werden. Sonderermittler Mueller weiß nun, dass er keinem neutralen Justizminister gegenüber steht. Ob seine Entlassung im Weißen haus immer noch diskutiert wird, scheint mir fraglich. Denn Präsident Trump hat mit der Entlassung von FBI-Direktor James Comey zumindest kurzfristig schlechte Erfahrungen gemacht.
Für Wirbel sorgte außerdem eine Pressekonferenz nach Feststehen der Wahlergebnisse, in der Donald Trump sich vielen Fragen von Journalistinnen und Journalisten stellte. In dieser geriet er mit dem ihn kritisch befragenden Reporter Jim Acosta von CNN in Konflikt. Wie bewerten Sie diese Szenen und den folgenden Entzug der Akkreditierung für diesen Journalisten?
Präsident Trump hat die Medien ja schon länger als „Feind des Volkes“ bezeichnet, jetzt hat er diesem Begriff ein Gesicht gegeben, das von Jim Acosta von CNN. Für die amerikanische Demokratie ist das ein sehr bedenklicher Vorgang, er spiegelt jedoch die Polarisierung im Mediensystem und die parteiische Skandalisierung der Nachrichteninhalte wider. In der republikanischen Echokammer, in der inzwischen verbreitet wird, dass Acosta eine Frau geschubst habe und deshalb ausgeschlossen worden sei, wird das Vorgehen Trumps sicher gutgeheißen, nach dem Motto: „Der lässt sich das nicht länger gefallen.“ Und da die Medien in den USA ein deutlich geringeres Ansehen haben als Trump selbst, wird ihm das auch bei vielen unabhängigen Wählern nicht besonders schaden. Dass die Demokraten aufschreien, stört ihn nicht. So bedenklich der Vorgang ist, er reflektiert den Zustand von Medien und Politik in den USA.
Vielen Dank für das Interview, Professor Jäger!
Die Fragen stellte Sarah Brender.