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Familiäre Arbeitsteilung ist in Corona-Zeiten in Bewegung

Studie von Professor Karsten Hank untersucht familiäre Arbeitsteilung in Zeiten von Corona.

Porträtfoto von WiSo Professor Dr. Karsten Hank

Paare haben ihre häusliche und familiäre Arbeitsteilung sehr unterschiedlich an die Herausforderungen der Corona-Situation angepasst. Das zeigt jetzt eine neue Studie von Wiso-Professor Karsten Hank und Anja Steinbach von der Universität Duisburg-Essen.

Hat die COVID-19-Pandemie Auswirkungen auf Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern? Darüber wird in den Medien und in der Wissenschaft diskutiert. WiSo-Professor Karsten Hank vom Institut für Soziologie und Sozialpsychologie (ISS) der Universität zu Köln und seine Kollegin Professorin Anja Steinbach von der Universität Duisburg-Essen haben nun die Veränderungen der Aufteilung von Hausarbeit und Kinderbetreuung in Paar- und Familienbeziehungen in Deutschland vor und während der Corona-Krise untersucht.

Die Ergebnisse sind jetzt im Journal of Family Research veröffentlicht worden. Hausarbeit (mit Tätigkeiten wie beispielsweise Wäsche waschen, kochen, putzen) und die Kinderbetreuung wurden in der Studie separat betrachtet. Professor Hank fasst die wichtigsten Ergebnisse zusammen: „Bereits mit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie sind – zum Teil sehr lautstark – Befürchtungen geäußert worden, dass die Krise und ihre Folgen zu einer Rückkehr zu alten Rollenmustern führen und in den vergangenen Jahrzehnten erzielte Fortschritte bei der Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern wieder zunichtemachen könnte. Diese Befürchtungen erscheinen angesichts der Befunde unserer Studie weitgehend unbegründet. Allerdings waren auch schon in der Zeit vor Corona in 60 Prozent der von uns befragten Paare die Frauen hauptsächlich oder ausschließlich für Hausarbeit und Kinderbetreuung verantwortlich. Eine in diesem Sinne ‚traditionelle‘ Arbeitsteilung ist also kein neues, Corona-bedingtes typisches Phänomen in Deutschland.“

Die Ergebnisse der soziologischen Studie basieren auf Vorabdaten des bereits seit 2008 laufenden und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierten Beziehungs- und Familienpanels (pairfam) sowie dessen internetbasierter COVID-19-Zusatzstudie, die einen ersten Einblick in die Dynamiken häuslicher und familiärer Arbeitsteilung bei Paaren in Deutschland im Verlauf der Pandemie ermöglichen. Für die Studie wurden Befragungsdaten von mehr als 3.000 StudienteilnehmerInnen im Alter von 19 bis 49 Jahren aus dem Zeitraum von Mitte Mai bis Anfang Juli 2020 herangezogen.

Obwohl sich insgesamt keine grundlegenden Veränderungen etablierter Muster geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung zeigten, gibt es dennoch Hinweise auf gewisse Verschiebungen hin zu den beiden Extremen („traditionell“ und „Rollentausch“) der Verteilung. Karsten Hank: „Sowohl der Anteil der Frauen, die ausschließlich für Hausarbeit und Kinderbetreuung verantwortlich sind, als auch der Anteil der Männer, die in der Partnerschaft hauptsächlich oder ausschließlich hierfür verantwortlich sind, ist während der Pandemie angestiegen. Der Anteil der Paare, welche die traditionelle Rollenverteilung aufgegeben haben und in denen der Mann die Hauptverantwortung für Haushalt und Kinder trägt, ist dabei zwar relativ sehr stark gestiegen, bleibt mit 5 bis 7 Prozent absolut jedoch auf einem immer noch sehr niedrigen Niveau.“

Betrachtet man Veränderungen innerhalb von Paarbeziehungen, finden sich etwa gleich große Anteile an Paaren, in denen der relative Beitrag der Partnerin gestiegen bzw. gesunken ist (jeweils ca. 20 Prozent). Insbesondere in zuvor egalitären Beziehungen haben jedoch Frauen stärker die überwiegende oder gesamte Verantwortung für die Hausarbeit und Kinderbetreuung während der Krise übernommen. Wenn männliche Partner ihren Anteil gesteigert haben, geschah dies meist nur bis zum Schwellenwert einer gleichgewichtigen Arbeitsteilung. Von den Männern wurde also selten der  Hauptteil der Arbeit übernommen.

Veränderungen im zeitlichen Umfang der Erwerbstätigkeit führten zwar bei Männern zu Anpassungen ihres relativen Beitrags zu Hausarbeit und Kinderbetreuung, aber nicht bei Frauen. Anja Steinbach erläutert: „Der Beitrag der Partnerin zur Erledigung von Aufgaben in Haushalt und Familie scheint unabhängig von ihrer zeitlichen Belastung durch Erwerbstätigkeit zu sein, während Männer ihren Anteil an der Haus- und Familienarbeit flexibel anpassen (können), wenn sich ihre Arbeitszeit verändert. Ihr Beitrag erscheint also in der Partnerschaft stärker verhandelbar zu sein, als jener der Frau.“

„Die in öffentlichen Diskussionen mitunter behauptete generelle Re-Traditionalisierung der Geschlechterbeziehungen während der Corona-Krise lässt sich mit unseren Daten nicht feststellen“, betont auch betont Prof. Steinbach. Vielmehr seien in Paarbeziehungen unterschiedliche Anpassungsprozesse an die veränderten Rahmenbedingungen zu beobachten, die zwar zum Teil tatsächlich zu einer noch stärkeren Übernahme der traditionellen Rolle als Hausfrau und Mutter bei der Partnerin führten, aber eben auch dazu, dass der Anteil der Paare, bei denen die traditionellen Rollen getauscht sind und somit der Mann mehr Verantwortung für Haushalt und Kinder übernimmt, gestiegen ist. „Nicht COVID-19 ist für das insgesamt eher traditionelle Muster häuslicher und familiärer Arbeitsteilung verantwortlich, das wir heute in Deutschland beobachten, sondern die immer noch stark traditionell geprägten Rollenbilder und institutionellen Strukturen hierzulande“, so WiSo-Prof. Hank.