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EU-Verordnung verschärft die Debatte über die Entschädigung für Spender von menschlichen Substanzen

„Substances of human origin intended for human application“ (SoHOs) umfassen Substanzen menschlichen Ursprungs wie Blut, Plasma, Haut, Hornhaut, Embryonen, Sperma, Muttermilch und Mikrobiota – diese Substanzen sind für lebensrettende medizinische Verfahren unerlässlich. Im Dezember 2023 erzielten der Rat der Europäischen Union (EU) und das Europäische Parlament einen Konsens über eine neue „Regulation on standards of quality and safety for substances of human origin intended for human application“. Das Gesetz wurde nun bereits verabschiedet. Damit rückte ein umstrittenes Thema erneut in den Vordergrund: die Entschädigung von Spendern menschlicher Substanzen.

In dem Artikel "Quality and safety for substances of human origins: scientific evidence and the new EU regulations" diskutiert WiSo-Professor Dr Axel Ockenfels gemeinsam mit seinen Ko-Autoren Julio J. Elias, Nicola Lacetera, Mario Macis und Alvin E. Roth die Wirksamkeit der neuen EU-Verordnung, sowie ethische Bedenken.

Die Verordnung verfolgt zwei Hauptziele: die Gewährleistung der Selbstversorgung der EU und die Gewährleistung der Sicherheit. Dabei ist das Ziel, die Selbstversorgung der EU mit SoHOs zu gewährleisten, eine direkte Reaktion auf die starke Abhängigkeit der EU von importiertem Plasma, insbesondere aus den USA, wo Plasmaspender eine Entschädigung erhalten. Die EU jedoch sieht die freiwillige und unentgeltliche Spende als wesentlich für die Gewährleistung einer sicheren Versorgung an. Entsprechend ist in der Verordnung eine Entschädigung nur in Ausnahmefällen vorgesehen. Den vorgeschlagenen Maßnahmen liegt der Grundsatz der Nichtkommerzialisierung des menschlichen Körpers zugrunde. Die EU ist besorgt darüber, dass die zunehmende Kommerzialisierung von Blutplasma den Druck auf Einzelpersonen, zu spenden, verstärken könnte, was sich negativ auf die Sicherheit der Versorgung auswirken würde.

Jedoch: Die Verordnung entspricht nicht den aktuellen Erkenntnissen, insbesondere nicht den Erkenntnissen über die Sicherheit und Wirksamkeit bezahlter Plasmaspenden. Sie steht weitgehend im Widerspruch zu den Zielen, die Selbstversorgung mit SoHOs zu erreichen und den Spendern und Patienten zu dienen, die auf diese lebenswichtigen Ressourcen angewiesen sind – so Professor Ockenfels und seine Ko-Autoren. Die vorliegenden Erkenntnisse deuten darauf hin, dass es unwahrscheinlich ist, dass die EU-Mitglieder in der Lage sein werden, die Selbstversorgung ohne stärkere individuelle Motivationen und Anreize zu erreichen. Zudem würde eine Zunahme des Mangels in der EU aufgrund des Rückgangs der Spenden infolge der neuen Verordnung die internationalen Preise in die Höhe treiben und die Erschwinglichkeit von Plasma verringern. Dies hätte ernste Auswirkungen für Länder mit niedrigerem Einkommen. Alternative Strategien zur Steigerung der Motivation oder zum Abbau von Hemmnissen stellen unter anderem die Einrichtung zusätzlicher Sammelstellen, häufigere Durchführung mobiler Fahrten, die Verkürzung der Wartezeiten und die Verbesserung der Terminplanung dar. Jedoch sind diese Maßnahmen kostspielig und brauchen Zeit, um ihre Wirksamkeit zu entfalten. Auch moralische Bedenken wie Zwang, Ausbeutung und Kommerzialisierung werden in ihrem Artikel diskutiert.

Professor Ockenfels und seine Ko-Autoren halten fest: „(…) it is imperative to adopt a balanced, empirically sound and research-backed approach that considers multiple aspects and promotes policies to safeguard the interests of donors and patients.”

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