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Antonio Vera im Interview

„Mir war schon als Schüler klar, dass ich eine akademische Karriere an einer Universität einschlagen wollte“

Unser Alumnus Antonio Vera ist Professor der Betriebswirtschaftslehre an der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster im Bereich „Organisation und Personalmanagement“. In Münster leitet er Seminare und hält Vorlesungen über die Organisationsformen der Polizei und deren Geschichte.
Wir haben Professor Vera unter anderem gefragt, warum ihm eine Promotion wichtig war und welche Kompetenzen er durch sein Promotionsstudium erworben hat. Außerdem hat er mit uns über die Ereignisse und Erlebnisse innerhalb seines beruflichen Alltags gesprochen.

Lieber Herr Professor Vera, nach Ihrem Studium haben Sie promoviert. Warum war Ihnen eine Promotion wichtig?
Mir war schon als Schüler klar, dass ich sehr gerne eine akademische Karriere an einer Universität einschlagen wollte. Und der Doktortitel ist nun einmal eine unverzichtbare Voraussetzung für ein dauerhaftes Beschäftigungsverhältnis im universitären Bereich. Allerdings habe ich, nach Beendigung meines Studiums, keine Promotionsstelle gefunden, so dass ich zunächst in der freien Wirtschaft gearbeitet habe, was mir aber nicht gefiel. Mir wurde dort sehr schnell bewusst, dass es nur eine "Sache" gibt, in der ich richtig gut bin und die mir großen Spaß macht: Lernen. Daher habe ich nach 3 Jahren die erste Promotionsgelegenheit, die sich mir bot, ergriffen und bin an die WiSo-Fakultät gegangen.

Was sollten Studierende  - aus Ihrer Sicht -  bedenken, die gerne promovieren möchten?
Promovieren dauert mehrere Jahre und ist sehr anstrengend. So etwas hält man nur durch, wenn man sehr motiviert und diszipliniert ist, wenn das Thema der Dissertation einen persönlich sehr interessiert und wenn man genug Zeit für das Schreiben der Dissertation aufbringen kann. Gerade die letztgenannte Voraussetzung ist bei externen Doktoranden i.d.R. nicht erfüllt. Man sollte sich darüber im Klaren sein, dass die meisten Doktoranden - interne wie externe - scheitern.

Welche Kompetenzen haben Sie durch Ihr Promotionsstudium an der WiSo-Fakultät erworben?
Ich habe vor allem gelernt, wie man wissenschaftlich arbeitet, d.h. wie man eine promotionsadäquate Literaturrecherche durchführt, wie man empirische Daten erhebt und analysiert und wie man daraus vernünftige Schlussfolgerungen zieht.

Außerdem habe ich gelernt, mit Kritik, Frustration, Misserfolgen und Rückschlägen umzugehen. Darüber hinaus habe ich aber auch zahlreiche Lehrveranstaltungen an der WiSo-Fakultät besucht und sehr viel Literatur gelesen, so dass ich am Ende meiner Promotion über ein ziemlich umfassendes, breit angelegtes Fachwissen im Bereich BWL verfügte.

Sie sind seit September 2007 als Leiter des Fachgebietes „Organisation und Personalmanagement in der Polizei“, an der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster tätig. Wie kam es dazu und wie sieht für Sie ein normaler Arbeitstag aus?
Nach der Habilitation habe ich mich einfach auf alle Professuren beworben, die thematisch zu mir passten. Ich hatte mich sowohl in der Promotion als auch in der Habilitation mit organisationswissenschaftlichen Themen beschäftigt, so dass die an der gerade neu gegründeten Deutschen Hochschule der Polizei ausgeschriebene Professur für Organisation und Personalmanagement einigermaßen passte, auch wenn ich von der Polizei strenggenommen keine Ahnung hatte. Und offensichtlich war ich der beste Bewerber, so dass ich zu den wenigen Glückspilzen gehöre, denen ein naht- und lückenloser Übergang von einer Assistentenstelle auf eine Professur gelungen ist.

Mein Arbeitsalltag ist super: ich sitze viel im Büro, lese viel und schreibe viel. Als Professor hat man jede Menge Freiraum, um sich mit den Themen zu beschäftigen, die einen wirklich interessieren. Abgesehen von den Lehrveranstaltungen kann man seine Arbeitszeiten und die sonstigen Rahmenbedingungen ziemlich frei gestalten. Ich kann in Jeans, T-Shirt und Turnschuhen arbeiten. Und ich bin Beamter auf Lebenszeit. Mir gefällt's. 

Gibt es Ereignisse oder Erlebnisse innerhalb Ihres beruflichen Alltags, mit denen Sie vor Ihrem Berufseinstieg so nicht gerechnet hätten?
Natürlich gibt es die. Ich hätte beispielsweise nie damit gerechnet, dass der Wettbewerb um Stellen und Mittel an Universitäten so brutal ist. Und ich hätte auch nicht gedacht, dass die "Eitelkeit" von Professoren so stark ausgeprägt ist. Und ich war wirklich überrascht, was für Kommentare Studierende manchmal in Lehrevaluationsbögen eintragen und wie verletzend das sein kann. Aber es gab auch unerwartet positive Überraschungen, z.B. wie toll es sich anfühlt, wenn ein Studierender mich nach einer Vorlesung lobt.

Wie stellen Sie Ihre Work-Life-Balance her (Vereinbarkeit und Einklang von Beruf und Privatleben)?
Ich habe mich nie für Work-Life-Balance interessiert. Als Professor hat man so viel Gestaltungsspielraum in Bezug auf die Arbeitsbedingungen, dass sich das Problem kaum stellt. Außerdem liebe ich meine Arbeit, so dass ich gerne viel und lange arbeite. Seitdem ich Kinder habe, arbeite ich aber nicht mehr an den Wochenenden. Und ich mache jedes Jahr 6 Wochen Familienurlaub irgendwo im Ausland, weit weg von meinem Büro. In der restlichen Zeit hat allerdings meine Arbeit Priorität. Und das ist auch gut so.

Was würden Sie unseren Studierenden im Allgemeinen gerne mit auf den Weg geben? Und was sind Ihre drei Tipps für unsere Studierenden?
Studierende sollten sich gut überlegen, in welchem Bereich sie gut sind und was ihnen Spaß macht, bevor sie in den Beruf einsteigen. Eine falsche Berufswahl kann einem gründlich und dauerhaft das Leben versauen. Als ich bei einem Beratungsunternehmen gearbeitet habe, war ich in den ersten Monaten verzweifelt, weil mein Leben so wie es war, mich unglücklich machte. Das sollte man sich ersparen.
Meine drei Tipps an BWL-Studierende an der WiSo-Fakultät wären:

  • Studieren besteht zu 90% aus Lesen. Also lesen Sie.
  • Klausuren sind nicht das richtige Vehikel, um dem Dozenten klar zu machen, dass er eigentlich keine Ahnung von seinem Fach hat.
  • Verschwenden Sie Ihre Zeit nicht mit einer Promotion, wenn Sie keine akademische Laufbahn anstreben. 

Vielen Dank für das Interview!

Über Antonio Vera:

Antonio Vera studierte zwischen 1991 und 1995 Wirtschaftswissenschaften (Dipl.-Ök.) an der Bergischen Universität Wuppertal sowie zwischen 2008 und 2014 Kulturwissenschaften (B.A.) und Geschichte (M.A.) an der FernUniversität in Hagen. Im Jahr 2000 promovierte er an der WiSo-Fakultät der Universität zu Köln mit einer Dissertation zum Thema „Organisation von Steuerabteilungen und Einsatz externer Steuerberatung in deutschen Großunternehmen: Eine empirische Analyse“.

Im Jahr 2007 habilitierte sich Professor Vera an unserer Fakultät zum Thema „Krankenhausmanagement in einem wettbewerbsorientierten Umfeld“. Nach einem Aufenthalt als Gastwissenschaftler an der University of Cambridge im Sommer 2007 übernahm er im September 2007 die Leitung des Fachgebiets „Organisation und Personalmanagement in der Polizei“ an der Deutschen Hochschule der Polizei. Antonio Vera, geboren 1972 in Remscheid, wurde im Februar 2008 zum Universitätsprofessor ernannt. Er ist verheiratet und hat vier Kinder.

Interview: Ayla Wisselinck