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Im Alltag vertrauen wir anderen meistens, doch das Ausmaß hängt vom Kontext ab

ISS-Forscherin Corinna Michels bei "Wussten Sie schon, dass ...?"

Arme zweier Menschen beim Handschlag mit weiteren Händen und einem unscharfen Wohnhaus im Hintergrund

Vertrauen, also die Bereitschaft Risiken auf sich zu nehmen, da man erwartet, dass andere wohlwollende Intentionen haben, wird als Bindemittel unserer sozialen Beziehungen verstanden. Aber was bestimmt, ob wir jemandem vertrauen? Vertrauen wir in verschiedenen Situationen immer gleich stark? Wer sind die Menschen, denen wir am meisten oder am wenigsten vertrauen? Und können wir Befunde aus Laborstudien im alltäglichen Leben replizieren?

Diesen Fragen gingen ISS-Forscherin Corinna Michels und ihre Kolleg*innen in einer aktuellen Studie nach. Die Autor*Innen untersuchten zuvor getrennt betrachtete Effekte mit Hilfe der sogenannten Experience Sampling Methode außerhalb des Labors. Hierfür wurden Teilnehmende über fünf Tage hinweg fünf Mal täglich über ihr Smartphone kontaktiert, um kurze Fragebögen bezüglich ihrer letzten sozialen Interaktion auszufüllen.

Über mehr als 4.500 in der Studie erfasste Interaktionen konnte gezeigt werden, dass Menschen mehr vertrauen als sie misstrauen. Die Daten zeigen zudem, dass Vertrauen und Misstrauen als Endpole eines Kontinuums und nicht als separate Dimensionen zu verstehen sind. Auch wenn es eine generelle Tendenz zum Vertrauen gibt, deuten die Ergebnisse darauf hin, dass Vertrauen in Abhängigkeit vom Kontext stark variiert.

Diese Variabilität ergibt sich aus drei Kernfaktoren. Zum einen, hängt das Ausmaß an Vertrauen von der generellen persönlichen Tendenz zu vertrauen ab, wobei dieser Faktor am wenigsten Variabilität erklärt. Zum anderen, und relevanter für die Erklärung der Variabilität, beeinflussen situative Faktoren das Ausmaß an Vertrauen. Diese Faktoren umfassen einerseits die Eigenschaften der zu vertrauenden Person—wie Wärme, Kompetenz und Moralität—und andererseits Aspekte der Beziehung der involvierten Personen—wie psychologische Nähe, Interessenskonflikte, Informationsunsicherheit und Machtungleichheit. Durch die Kombination dieser verschiedenen Perspektiven ist die Studie eine der ersten, die verschiedene Faktoren von Vertrauen gleichzeitig und im alltäglichen Leben untersucht.

Generell vertrauen wir also anderen. Das Ausmaß, in dem wir ihnen im Alltag vertrauen, hängt jedoch stark von uns, von unserer Wahrnehmung der anderen Person und unserer Beziehung zu dieser Person ab.