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Wie die Berufstätitgkeit von Müttern die Dauer der Schulschließungen beeinflusst

ISS-Forscher Ansgar Hudde und Natalie Nitsche über Faktoren, die zu bestimmten politischen Maßnahmen führen - neu bei "Wussten Sie schon, dass...?"

Eine Schülerin am Esstisch schaut auf einen Laptop Bildschirm , wir - leicht von  links oben  versetzt ebenfalls.

Wussten Sie schon, dass die gesellschaftlichen Einstellungen zu arbeitenden Müttern einen Einfluss darauf hatten, wie lange die Schulen in der Corona-Pandemie geschlossen blieben?

Zu Beginn der ersten Corona-Welle im Frühjahr wurden die Schulen in fast allen Ländern geschlossen und im April waren bis zu 90% der Schüler*innen weltweit betroffen. Auch aktuell sind die SARS-Cov-19-Fallzahlen an vielen Orten wieder sehr hoch. Immer mehr Länder, etwa Österreich, Italien oder Polen, reagieren erneut mit Schulschließungen. Auch in Deutschland ist eine heftige Diskussion um Schulschließungen, Wechsel- und Präsenzunterricht im Gang. Sind für die politisch Verantwortlichen Schulschließungen eine verlockende Maßnahme – schnell umsetzbar und ohne sofortige ökonomische Kosten – sind die Folgen für Schüler*innen, Familien und Mütter allerdings weitreichend.

Schon kurzfristig beeinträchtigen Schulschließungen nicht nur Kinder, sondern auch Eltern. Wenn insbesondere kleinere Kinder nicht in der Schule betreut werden, können Eltern nur eingeschränkt oder gar nicht arbeiten. In der Mehrzahl der Fälle übernehmen die Mütter den Hauptteil der zusätzlichen Betreuungsaufgaben. Neben den Kindern selbst sind erwerbstätige Mütter also besonders von Schulschließungen betroffen.

In Ländern, in denen mehr Menschen es für ideal halten, wenn Mütter wenig oder gar nicht arbeiten und sich vor allem um die Kinder kümmern, werden längere Schulschließungen und die zusätzlichen Betreuungsaufgaben für Eltern, und insbesondere Mütter, vermutlich als weniger problematisch empfunden. Auf dieser Vermutung aufbauend, fragten sich WiSo-Forscher Ansgar Hudde, vom Institut für Soziologie und Sozialpsychologie (ISS) und seine Kollegin Natalie Nitsche vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung: Hatte der gesellschaftliche Wert von Müttererwerbstätigkeit in einem Land einen Einfluss darauf, wie schnell die Schulen nach dem ersten Lockdown wieder geöffnet wurden? Hierzu analysierten sie Daten aus 35 Ländern.

Das Ergebnis der Studie zeigt: Bei ähnlichen SARS-Cov-19-Infektionsraten und einem ähnlichen Gesamtniveau der Einschränkung des gesellschaftlichen Lebens, öffnen die Länder, die eine positivere Einstellung zu Müttererwerbstätigkeit haben, die Schulen schneller. Darüber hinaus zeigte sich ein erheblicher Unterschied zwischen zwei Gruppen von Ländern: In den Ländern mit den positiveren Einstellungen zu arbeitenden Müttern kamen die Kinder typischerweise etwa vier Wochen früher zurück ins Klassenzimmer. Das Forscherteam führte zahlreiche Zusatzanalysen und Modellerweiterungen durch, die zeigen, dass die Ergebnisse robust sind.

Mit ihrer Studie „Countries Embracing Maternal Employment Have Opened Schools Sooner after COVID-19 Lockdowns“ leisten Natalie Nitsche und Ansgar Hudde einen grundsätzlichen Beitrag zur aktuellen Diskussion. Ein besseres Verständnis von den Faktoren, die zu bestimmten politischen Maßnahmen führen, kann zu einem gesellschaftlichen Diskurs beitragen, in dem es darum geht, welche Bereiche – Wirtschaft, Freizeit, Kultur und Bildung – bei Einschränkungen und Lockerungen des gesellschaftlichen Lebens welche Priorität haben sollen.