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Die EZB, Grüne Anleihen und die Klimakrise

#wisoidea - WiSo-Professor Francesco Giovanardi zur Bevorzugung von grünen Anleihen als klimapolitischem Instrument.

Sprössling, der aus einem durchsichtigen, gläsernen Blumentopf voller Münzen herauswächst

Die Debatte über die Bekämpfung des Klimawandels ist eine der wichtigsten politischen Debatten der letzten Jahre. Außerdem gibt es vermehrt Aufforderungen zum Handeln von unabhängigen Institutionen, unter anderem von Zentralbanken. Beispielsweise kündigte die EZB an, dass sie "bereit ist, Innovationen im Bereich „sustainable finance“ zu unterstützen [...], wie ihre Entscheidung, an Nachhaltigkeit gebundene Anleihen als Sicherheiten zu akzeptieren, zeigt".  Solche Anleihen, auch "grüne" Anleihen genannt, unterscheiden sich von herkömmlichen Anleihen dadurch, dass ihre Emittenten die aufgenommenen Mittel für Investitionen in umweltfreundliche Technologien verwenden. Nach Angaben der Landesbank Baden-Würtemberg wurden im Jahr 2020 weltweit grüne Anleihen im Wert von 224 Milliarden Euro ausgegeben, was sie zu einer wichtigen Finanzierungsquelle für umweltfreundliche Technologien macht.

WiSo-Juniorprofessor Francesco Giovanardi hat nun gemeinsam mit Matthias Kaldorf, Lucas Radke und Florian Wicknig untersucht, wie eine Zentralbank nachhaltige Finanzierungen wirksam unterstützen kann. In ihrem Papier "The Preferential Treatment of Green Bonds" erörtern sie, wie die Kollateralpolitik der Europäischen Zentralbank - die festlegt, welche Wertpapiere als Sicherheiten für die Kreditaufnahme bei der EZB akzeptiert werden - als umweltpolitisches Instrument genutzt werden kann.  Das Arbeitspapier wurde als ECONtribute Discussion Paper Nr. 098/2021 veröffentlicht.

Francesco Giovanardi und Kollegen bewerten die Wirksamkeit und die potenziellen negativen Auswirkungen einer bevorzugten Behandlung von Sicherheiten für grüne Anleihen in einem quantitativen makroökonomischen Rahmen. Diese Modelle sind Standardinstrumente zur Analyse der Wirksamkeit der Zentralbankpolitik.

Die Wissenschaftler zeigen, dass die Zentralbank über ihre Kollateralpolitik in der Lage ist, Anleihenpreise selektiv zu beeinflussen, da die Banken die Nachfrage nach Wertpapieren erhöhen, sofern diese als Sicherheiten zugelassen sind. Durch eine Vorzugsbehandlung grüner Anleihen - entweder durch die Festlegung niedrigerer Bewertungsabschläge („Haircuts“) oder durch die Erhöhung der Mindestanforderungen für die Notenbankfähigkeit - kann eine solche Politik die Finanzierungskosten umweltfreundlicher Unternehmen senken und so grüne Investitionen fördern. Gleichzeitig hat die Vorzugsbehandlung aber auch negative Auswirkungen auf die Finanzstabilität: Sie erhöht die Risikobereitschaft grüner Unternehmen, so dass die Auswirkungen auf grüne Investitionen quantitativ eher gering sind. Die Frage ist also: Unter welchen Bedingungen ist diese Politik sinnvoll?

Obwohl direkte CO2-Besteuerung theoretisch das beste umweltpolitische Instrument ist, wird es momentan nur begrenzt eingesetzt, zum Beispiel aufgrund polit-ökonomischen Restriktionen oder unzureichender internationaler Koordinierung. Ihr Modell zeigt, dass die Kollateralpolitik der Zentralbanken wichtig wird, wenn die CO2-Besteuerung zu niedrig ist. Eine Vorzugsbehandlung grüner Anleihen kann in Kombination mit (niedrigen) CO2-Besteuerung zu einer erheblichen Verringerung von umweltschädlicher Aktivität führen.

Das Ergebnis des Papiers kann als Aufruf zu (1) Zentralbankmaßnahmen verstanden werden, wenn die Fiskalpolitik nicht in der Lage ist, Umweltverschmutzung und Klimawandel angemessen zu bekämpfen, unter (2) einer sorgfältigen Bewertung unerwünschter Nebenwirkungen einer Vorzugsbehandlung auf die Finanzstabilität.

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