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"Das hat Konsequenzen für uns alle"

Im Interview: Wir sprachen mit Prof. Dr. Axel Ockenfels zum diesjährigen Wirtschaftsnobelpreis an Paul R. Milgrom und Robert B. Wilson, über Auktionen und Marktdesign.

Prof. Dr. Axel Ockenfels

Lieber Herr Professor Ockenfels,

wie in dieser Woche bekannt geworden ist, geht der diesjährige Wirtschaftsnobelpreis an Paul R. Milgrom und Robert B. Wilson von der Stanford University, “for improvements to auction theory and inventions of new auction formats”. Wir möchten Sie um eine kurze Einordnung für unsere Leser bitten:

Woran haben Paul Milgrom und Robert Wilson geforscht?

Die Forscher haben sowohl unser Verständnis von Auktionen in der Wissenschaft als auch die Auktionen in der Praxis verändert. Sie haben Auktionen und das Bietverhalten analytisch zerlegt, und so gezeigt, wie unterschiedliche Auktionsverfahren Preise und die Auswahl der Gewinner verändern. Das hat Konsequenzen für uns alle. Bei Auktionen denken wir normalerweise an Kunstauktionen oder Ebay. Aber Auktionen finden im Hintergrund fast überall statt, wo Handel stattfindet, und beeinflussen so unser aller Leben.

Welche sind die herausragenden Leistungen, für die sie jetzt geehrt worden sind?

Die Forscher haben mathematisch elegante Modelle von Auktionen entwickelt, die sich als unmittelbar praxisrelevant erwiesen haben. So haben die beiden Preisträger beispielsweise ein mehrstufiges, simultanes Auktionsverfahren entwickelt, welches weltweit für die Versteigung von Telekommunikations-Frequenzen genutzt wird. Auch die deutschen UMTS, LTE und zuletzt 5G Frequenzen für den Mobilfunk wurden mit diesem Auktionsformat versteigert.

Welche Bedeutung haben die Erkenntnisse von Milgrom und Wilson für die Gesellschaft?

Die Bedeutung von Auktionen ist nur schwer zu unterschätzen. Sie spielen beispielsweise eine wichtige Rolle beim Handel von Strom, Finanzpapieren, für das Geschäftsmodell der wichtigsten Internetplattformen, für die Einkaufsstrategie vieler Unternehmen und für die Preise unzähliger weiterer Produkte. Fehler im Auktionsdesign können eine Gesellschaft daher sehr teuer kommen. Der Zusammenbruch des Kalifornischen Strommarktes vor einigen Jahren, exzessives Verhalten in Finanzmärkten und frühere Probleme bei der Zuteilung von Mobilfunkfrequenzen illustrieren dies. Hinzu kommt, dass klug gestaltete öffentliche Ausschreibungen nicht nur eine Einnahmequelle für die öffentlichen Haushalte sind, sondern auch knappe Ressourcen schneller und effizienter zuteilen können als kostspielige und langwierige administrative Verfahren.

Sie haben zuletzt gemeinsam mit Robert Wilson, Peter Cramton und Alvin Roth, der 2012 den Nobelpreis für seine Arbeiten zu Marktdesign erhalten hatte, ein neues Verteilsystem für medizinische Güter in der Krise vorgeschlagen. Können Sie in ein paar kurzen Worten umreißen worin es dabei geht?

Im Medizinsektor können knappe lebenswichtige Schutzkleidung und Beatmungsgeräte in einer Krise natürlich nicht einfach an die Höchstbieter verkauft werden. Dies gilt auch bei anderen Herausforderungen. Denken Sie beispielsweise an die Zuteilung von knappen Seminarplätzen, von Kindergartenplätze oder von Organspenden. Doch auch in solchen Fällen kann Marktdesign aus einem reichen Erfahrungsschatz schöpfen. Nur ein Beispiel: An einigen Universitäten werden Studierende mit einer künstlichen Währung ausgestattet, mit der die knappen Seminarplätze ersteigert werden können. Auch Lebensmitteltafeln kennen solche Verteilsysteme von Lebensmitteln auf die einzelnen Gemeinden. Die künstliche Währung hilft, Knappheiten aufzudecken und die Zuteilung bestmöglich gemäß den individuellen Wünschen zu koordinieren. Die künstliche Währung stellt dabei aber gleichzeitig sicher, dass es gerecht zugeht und nicht einfach nur die zahlungskräftigsten Bieter bedient werden. Ähnliche Ansätze könnten auch teilweise im Medizinsektor in Krisenzeiten eingesetzt werden. Für andere Zuteilungsprobleme hat Alvin Roth Stanford Marktmechanismen entwickelt, die ohne Preissteuerung auskommen, und die heute weltweit eingesetzt werden. Auch in Köln gibt es dazu einen Forschungsschwerpunkt.

Worin sehen Sie die wesentlichen Beitragsmöglichkeiten von Marktdesign und Auktionstheorie im Hinblick auf die zukünftigen Herausforderungen, denen sich Gesellschaften stellen müssen?

Neue Computertechnologien erlauben radikale und faszinierende Innovationen bei der Art und Weise, wie wir kommunizieren und miteinander handeln. Dies führt zu großen Herausforderungen für die Zukunft der Märkte, und zu fantastischen Chancen. Wir beschäftigen uns in Köln beispielsweise mit der Frage, wie modernes Marktdesign den Verkehrskollaps verhindern, effektiv zum Klimaschutz beitragen, Hochfrequenzhandel in Finanzmärkten disziplinieren, Vertrauen in der Sharing Economy schaffen und den Übergang in eine nachhaltige Stromwirtschaft unterstützen kann. Dabei kooperieren wir eng mit Politik und Wirtschaft. Es gibt kaum ein anderes Feld in der Wirtschaftswissenschaft, in dem Spitzenforschung und Praxis so unmittelbar voneinander profitieren können.

Lieber Herr Professor Ockenfels, wir danken Ihnen für diese Einschätzung.